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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg
Autoren: S Lüpkes
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Eingang. Alle Rocker sind aufgelaufen und haben sich empört, weil sie angeblich gar nicht mit den Bikes unterwegs gewesen waren und blablabla   …« Er seufzte. »Sie glauben gar nicht, wie diese Typen uns hier in Schwerin auf den Geist gehen. Immer Ärger, immer einen auf starken Mann machen, immer Streit suchen. Die wollten doch glatt den Kellerbach rufen und uns wegen unerlaubten Betretens des Geländes rankriegen.«
    »Wer ist Kellerbach?«, fragte Boris.
    »Der Anwalt dieses feinen Vereins. Leo Kellerbach. Selbst einer von ihnen. Die haben ja alle Berufssparten in ihrem Club. Zahnarzt, Architekt, Oberstudienrat. Und eben Winkeladvokaten wie diesen Kellerbach. Der hat sich auf Rockerprozesse spezialisiert.«
    »Verkehrsdelikte?«
    »Kommt darauf an, wie Sie Verkehr definieren«, feixte Wachtel. »Die haben mit ihren ganzen Puffs*, Drogengeschäften* und illegalen Waffen* schon genug Arbeit für ihn. Allein der Ärger um diese
Hot Lady-
Übernahme war bestimmt eine juristische Meisterleistung. Da hat Kellerbach gar keine Zeit, sich um die ganzen Knöllchen wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung zu kümmern. Das macht dann seine Schwester Nikola, so einfach ist das.«
    |18| Wencke musste zugeben, dieses ganze Theater hörte sich wirklich nach einem nervenaufreibenden Job an. Sympathisch sind ihr breite Kerle in Kutten und Leder noch nie gewesen, Totenkopftattoos und fransige Männerzöpfe lagen auf ihrer persönlichen Attraktivitätsskala im unterirdischen Bereich. Aber bislang hatte sie zum Glück auch noch mit keinem dieser Sorte näher zu tun gehabt.
    »Kann es sein, dass dieser anonyme Anruf ein Ablenkungsmanöver war, damit der Mörder sich von hinten an den Bootsschuppen heranschleichen konnte?« Sie schaute von Wachtel zu Bellhorn und wieder zurück. Dieser Gedanke schien bei keinem von beiden Begeisterung auszulösen. »Ich habe es eben bei der Ankunft selbst gesehen: Das Gelände ist abgesichert wie so mancher Knast. Warnschilder, Stacheldraht und Überwachungskameras. Und wenn die Polizei – so wie heute – nicht jeden des Platzes verweist, möchte ich wetten, dass alle paar Meter ein Wachposten parat steht.«
    »Stimmt«, musste Wachtel ihr beipflichten. »Selbst am Ufer patrouillieren sie alle naselang.«
    Wencke schaute sich um. Lediglich die Aussicht auf den kleinen See war hier attraktiv, der Rest machte einen verlebten, irgendwie plattgewalzten Eindruck. Die wenigen graugelben Grassoden fristeten links und rechts der breiten Wege ein trostloses Dasein, wurden bedeckt von Bierflaschen, Zigarettenschachteln und vereinzelten Seiten der Bildzeitung. Das Clubheim, das ein wenig höher am Ufer lag und in den Vereinsfarben* schwarz-blau gestrichen war, sah in etwa so einladend aus wie ein Pinkelhäuschen auf dem Autobahnparkplatz. Über der Tür prangte ein gewaltiges Emblem: Eine skelettierte Taube, die an das Eiserne Kreuz genagelt war. Blasphemisch, scheußlich – und zudem mächtig windschief, die Schrauben hatten sich an einer Seite aus dem Bretterverschlag gelöst. Ein Blick durch die Fenster nach innen war unmöglich, die
Devil
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Doves
hatten es vorgezogen, ihre Scheiben schwarz zu überstreichen. Aus welchen Gründen, darüber ließ sich bestens spekulieren.
    Ein knallblaues Auto, irgendein teures Cabriolet, nahm rasant die Einfahrt und hielt direkt vor Wachtels Füßen. Der machte fast einen Bückling. »Herr Oberstaatsanwalt, gut, dass Sie kommen konnten.«
    Der Mann, der aus dem Wagen stieg, gab sich auffallend lässig. Wencke schätzte Roland Gauly auf Anfang sechzig und wusste nicht genau, ob er in Freizeitkleidung erschienen war oder grundsätzlich durch seine Klamotten einen jüngeren Eindruck vermitteln wollte. Sein kahler Kopf wurde von einer Baseballkappe bedeckt. Dazu trug er T-Shirt und einen Sommeranzug in Beige.
    »Einen solchen Fall muss man von Anfang an in starke Hände geben, nicht wahr?«
    Sein Handschlag war demonstrativ fest. Wachtel machte die Anwesenden miteinander bekannt und ließ gleich zwischen den Zeilen mit einfließen, was er von den Gastermittlern hielt – nämlich nichts.
    Gauly hörte sich alles mit einem amüsierten Gesichtsausdruck an. »Arbeiten Sie ruhig weiter, meine Damen, meine Herren. Lassen Sie sich durch mich nicht stören, ich bin lediglich hier, um mir mein eigenes Bild zu machen.« Dann nickte er noch einmal in die Runde und spazierte mit tänzelndem Schritt, als sei er nur ein Hobbyangler, der gleich am Ufer seine Rute auswerfen
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