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Tatsache Evolution

Titel: Tatsache Evolution
Autoren: U. Kutschera
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wichtigsten Naturforscher (
Naturalists
) von England.
    Im Herbst 1885 wurde Wallace eingeladen, in den USA eine Serie von Vorträgen zum Thema »Darwinismus« zu halten – diese sechsmonatige Nordamerika-Tour führte u. a. zu einer persönlichen Bekanntschaft mit dem Industriellen Leland |34| Stanford (1824 – 1893), dem Begründer der nach seinem früh verstorbenen Sohn benannten Elite-Universität im US-Bundesstaat Kalifornien. Ein aus dieser Vortrags-Serie hervorgegangenes Buch (
Darwinism
, 1889) wird in Kapitel 3 angesprochen.
    Abb. 1.7: Alfred Russel Wallace (1823 – 1913) im Malaiischen Archipel. Der Naturforscher sitzt an einem Tisch vor jener Hütte, wo er 1858 im Fieberrausch seine Gedanken zur Selektionstheorie gesammelt und zusammengefasst hatte (nach Evstafieff-A.R. Wallace I970179, Down House, Kent).
    Spiritualist und Sozialphilosoph
(
1890 bis 1913
): Bereits als heranwachsender Teenager und junger Mann (ca. zwischen 1837 und 1844) kam Wallace mit »geisteswissenschaftlichen« Utopien und Phänomenen in Kontakt. Der 13-Jährige hatte prägende Beziehungen zu Anhängern des Sozialisten Robert Owen; er besuchte im Alter von 21 Jahren Schauveranstaltungen zum »Mesmerismus«, die ihn vom Wahrheitsgehalt der vorgetragenen »übernatürlichen Phänomene« überzeugten. Vermutlich unter dem Einfluss seiner Ehefrau Annie Mitten (1848 bis 1914), die ihm drei Kinder gebar, wandelte sich sein logischrationales |35| Weltbild ab ca.1864 in eine pseudoreligiös-spiritistische Richtung. Bereits 1874 war Wallace zur Enttäuschung seiner Fachkollegen mit einer Schrift mit dem Titel
Miracles and
Modern Spiritualism
hervorgetreten, in der er u. a. obskure Dinge wie das »Tischerücken« usw. als reale Phänome verteidigte. Wallace war aber niemals wirklich religiös oder gar ein Kreationist – seine spiritualistischen Ansichten verband er mit einem klaren Bekenntnis zum Naturalismus, den er entsprechend ergänzt sehen wollte. Seine insbesondere in späteren Schriften immer wieder angesprochene »Theorie des Spiritualismus«, die u. a. aussagte, dass das Konzept der natürlichen Selektion unzureichend sei, die intellektuell/moralische Seite des Menschen zu erklären (Wallace 1889), überzeugten seine Fachkollegen allerdings nicht.
    In seinen Schriften zur Sozialphilosophie – Wallace war politisch betrachtet zeitlebens ein Sozialist – vertrat er Utopien einer egalitären und gleichzeitig gerechten Gesellschaft, in der es keine Vererbung von Vermögenswerten (Immobilien usw.) geben sollte – hier klingt Wallaces Ablehnung einer Lamarckschen »Vererbung erworbener Körpereigenschaften« nach (s. unten). Diese spiritualistisch-esoterischen bzw. sozialistischpolitischen Publikationen untergruben das solide naturwissenschaftliche Gesamtwerk von Wallace derart, dass die Originalität seiner Beiträge zur Evolution, Biogeographie und Systematik der Organismen nach seinem Tod (7. November 1913) in Vergessenheit geraten sind. Die Leistungen des Naturforschers Wallace wurden u. a. in einer Serie unabhängiger Publikationen wiederentdeckt, auf die hier verwiesen werden soll (Raby 2001, Shermer 2002, Kutschera 2003 a, 2008 b, Slotten 2004; s. Abb. 1.12).
    Wir werden in Kapitel 3 darlegen, dass Wallace seinem Kollegen Darwin in manchen Beziehungen wissenschaftlich überlegen war und heute als Mitbegründer der um 1900 formulierten Neo-Darwinschen Theorie gewürdigt wird (Kutschera und Niklas 2004).

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|36| Die Doppel-Publikation Darwin und Wallace 1858: Eine vergleichende Analyse
    Im Februar 1858, nach fast vierjähriger Reise, lag der 35-jährige Alfred Wallace wieder einmal schwer erkrankt auf der Holzpritsche seiner Palmenblatt-Hütte im tropischen Regenwald, auf der indonesischen Insel Halmahera (Abb. 1.7). Während heftiger Fieberattacken, die von den Malaria-Erregern in seinem Blut ausgelöst wurden, kombinierte der Naturforscher das lange von ihm verinnerlichte Malthussche Prinzip des exponentiellen Bevölkerungswachstums (Abb. 1.6) mit dem Phänomen der biologischen Variabilität zu einem hypothetischen Mechanismus |37| , der für die Entstehung neuer Varietäten und Arten in wild lebenden Tier-Populationen verantwortlich sein könnte. An die damals auch von vielen Naturforschern noch weitgehend akzeptierten Schöpfungsakte des biblischen Gottes (Abb. 1.1) glaubte der erfahrene Biologe Wallace schon lange nicht mehr – der offensichtliche Daseinswettbewerb (bzw. Überlebenskampf) im dicht besiedelten
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