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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen
Autoren: Titus Mueller
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von Kratzern, obwohl er sie schon zu Weihnachten bekommen hatte. Er spielte kaum mit ihr. Mehr als die Autos und Loks liebte Samuel die Kartons, in die sie verpackt waren. In den Schachteln mit dem zerdrückten Seidenpapier bewahrte er Murmeln, seltene Steine und Vogelfedern auf.
    »Fahr kräftig hindurch«, sagte Matheus, »warte, ich puste, dann fliegt der Schnee!«
    Samuel legte das Gesicht auf den Boden, um die Lok besser sehen zu können, und schickte sie durch die Mehlhaufen. Dabei pustete Matheus so sehr, dass Samuel sich aufrichten und die Augen schließen musste, weil ihm Mehl hineingeflogen war.
    »Tut es weh?«, fragte Matheus besorgt.
    Aber der Junge schüttelte den Kopf. Er zwinkerte einige Male, dann nahm er wieder die Lok.
    Die Lok fuhr durch das ganze Zimmer. »Hier ist ein Fußgänger langgelaufen«, sagte Matheus, und drückte mit den Fingerspitzen feine Spuren in das Mehl.
    »Und hier ist einer mit dem Fahrrad gefahren.« Samuel zog eine Linie.
    Matheus griff noch mal in die Dose und streute eine Handvoll Mehl aus. »Jetzt schneit es die Spuren zu.«
    »Wind kommt auf!«, rief Samuel und blies das Mehl über den Boden.
    Sie lachten laut. Ihre Kleider waren weiß bestäubt.
    Cäcilie erschien in der Tür und riss die Augen auf. »Ihr habt das ganze Mehl verschüttet!«
    »Nur einen Teil«, sagte Matheus.
    »Für solchen Unfug hast du Zeit! Und wenn ich dich mal brauche …«
    »Ich spiele mit unserem Sohn.«
    »Das kann ich sehen. Fragt sich nur, wer von euch das größere Kind ist. Seht zu, wie ihr das wieder sauber kriegt!« Sie warf die Tür mit lautem Knall zu.
    Matheus sah Samuel an, der schaute zurück. Sie zuckten beide mit den Schultern. »Das war es wert«, sagte Matheus und grinste.
    »Ich hole Kehrschaufel und Besen, Papa.«
    Rasch war Samuel mit dem Versprochenen zurück, und sie fegten das Mehl auf. Etliches blieb in den Ritzen zwischen den Dielen hängen.
    »Ich glaube, hier müssen wir nass wischen.«
    »Nein, Papa, mich stört’s nicht.«
    »Sicher.« Er lachte. »Aber ich kenne jemanden, den es stört.«
    Cäcilie kam herein und fragte: »Gab es Post?«
    »Nein, nichts.«
    Sie zog hinter ihrem Rücken das Telegramm hervor: »Und was ist das hier? Warum lügst du mich an?«
    Matheus schwieg. Eine Ader pochte an seinem Hals.
    »Ich ertrage das nicht länger«, fauchte sie, »deine ständigen Schwindeleien!«
    Er stand auf. »Mir bleibt ja nichts anderes übrig, als zu lügen. Du behandelst mich wie einen Verbrecher. Denkst du, das macht mir Spaß? Wieso schnüffelst du mir nach und durchsuchst den Schreibtisch?«
    »Ach, jetzt bin ich es, ja, ich verstehe, ich bin schuld.« Sie funkelte ihn böse an.
    »Es ist doch nichts passiert. Ich habe bloß ein Telegramm in die Schublade gelegt.«
    Sie hielt es anklagend hoch. »Hältst du mich für dumm? Was bezweckst du damit, die Post vor mir zu verstecken?«
    »Ich wusste, dass du ein Fass aufmachen würdest.«
    »Das heißt, du willst die Einladung der Amerikaner ablehnen. Hinter meinem Rücken, weil du dich nicht traust, es mir zu sagen.«
    »Wundert dich das?«
    Der Zettel in Cäcilies Hand zitterte. Tränen sammelten sich in ihren Augen. »Ist es denn zu viel verlangt«, fragte sie leise, »dass du ehrlich zu mir bist und ab und an Zeit für mich hast?«
    Er nahm einen tiefen Atemzug. »Nein«, sagte er. »Nein, ist es nicht.« Er trat auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Cäcilie, verzeih.« Jetzt wirkte sie auf ihn so dünn, so schutzbedürftig. Ein Rest Zorn war noch in ihm, aber er verflog angesichts ihrer Schwäche.
    »Mir tut es auch leid. Ich will nicht mit dir streiten.« Sie löste sich aus seiner Umarmung und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann wandte sie sich an ihren Sohn, der die ganze Zeit reglos dagestanden hatte. »Ach, Samuel, jetzt schau nicht so ernst. Wir vertragen uns ja schon wieder. Hast du Hunger?«
    Der Kleine nickte.
    »Komm, wir zwei decken den Tisch.« Sie nahm den Jungen mit hinaus.
    Wenig später riefen sie zum Abendessen. Matheus wusch sich die Hände, bis sich durch das Schrubben die Haut rot färbte. Seit er von Bakterien gelesen hatte, war es ihm wichtig, dass keine an seinen Händen klebten, wenn er aß. Die Biester übertrugen schreckliche Krankheiten.
    Unter den Nägeln putzte er mit einer Bürste den Schmutz weg. Bald schimmerten sie milchweiß auf den geröteten Fingerkuppen. Auch die Fingerzwischenräume seifte er ein und spülte sie unter dem Wasserstrahl aus.
    »Habt ihr euch gründlich die
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