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Tanz mit mir - Roman

Tanz mit mir - Roman

Titel: Tanz mit mir - Roman
Autoren: Lucy Dillon Sina Hoffmann
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Profi-Tanzpaare Großbritanniens gewesen war. Leute, die sich weder an die damalige Tanzturnier-Sendung »Come Dancing« auf BBC erinnern konnten noch an den tosenden Applaus im Ballroom Tower bei ihren regelmäßigen Auftritten dort, wenn sie und Tony wie zwei Schwalben über das Parkett segelten.
    Angelica zuckte mit den Schultern und fegte weiter, während sie unbewusst im Gleichschritt immer wieder einen
Schritt zurückging, die rot beschuhten Füße gleichmäßig überkreuzte und sich dabei bemühte, nicht der Versuchung zu erliegen, sich in Erinnerungen an Tony zu ergehen.
    Vor einem Glasgemälde, das eine etwas ältere, korpulente Dame zeigte, die weniger ansehnlich war als Lady Cartwright, verharrte sie kurz. Die arme Mrs. Dollis Fairley hatte schon immer eher so ausgesehen, als sei sie eher in einen dicken Verband eingehüllt als in ein griechisches Gewand. Im Stepptanzunterricht hatte man sich stets über sie lustig gemacht und sie nur als die »Mummy« bezeichnet. Angelica war überrascht, dass sie nun angesichts der Trauer, die von dieser Frau ausging, einen Anflug von Mitleid verspürte.
    Angelica bot den Tanzkurs aus demselben Grund an, aus dem sie auch in die Sydney Street zurückgekehrt war. Nachdem Mum nun auf dem trostlosen Friedhof am Rande der Stadt neben Dad beerdigt worden war, hatte es eigentlich keinen Grund gegeben, ihre Rückkehr nach London noch hinauszuzögern. Nun gut, das Reihenhaus ihrer Mutter musste ausgeräumt werden, doch damit hätte sie auch jemanden beauftragen können. Nein, sie hatte plötzlich gespürt, dass sich ein Teil ihrer Vergangenheit – und damit auch ein Teil ihres Wesens – in Longhampton befand, mit dem sie niemals wirklich abgeschlossen hatte und dem sie nun nicht mehr länger entfliehen konnte.
    Außerdem unterrichtete sie gerne, insbesondere, seitdem sie das Alter ein wenig milder und nachsichtiger hatte werden lassen. Es fiel ihr schwer, mit vollkommen unfähigen Schülern zurechtzukommen, und sie würde auch keine Schüler dulden, die nicht zuhörten oder nicht übten oder die blau äugig waren und es allein auf den Glamour des Tanzes abgesehen hatten. Doch sie freute sich schon jetzt auf den Moment, in dem es in den Köpfen ihrer Schüler Klick machen, sich alles zu einem Tanz zusammenfügen und ein Paar bemerken würde, dass es völlig in der Musik aufgehen und sich
zusammen bewegen konnte, ohne dabei ständig über Schritte nachdenken zu müssen.
    Musik war und blieb letztlich Musik – hier übte sie den gleichen Zauber aus wie im Tanzsaal des Ritz. Der Augenblick, wenn sich plötzlich die Füße wie von selbst zu bewegen schienen und sich der Tanz, die Musik und der Moment zusammenfügten und einen vorwärts über das Parkett trieben wie das Segel eines Bootes, das vom Wind aufgebläht wurde – das war einfach wunderbar anzuschauen. Es war fast lohnender, Anfängern dabei zuzuschauen, wie sie sich unter ihrer Anleitung verwandelten und verbesserten, als die bissigen, wetteifernden professionellen Tanzpaare zu unterrichten, wie sie es in den letzten Jahren in London getan hatte.
    Wenn sie sich dazu hatte aufraffen können. In letzter Zeit war es ihr immer schwerer gefallen.
    Angelica lehnte den Besen an den alten Heizkörper. Auch das war etwas, was die alte Angelica niemals für möglich gehalten hätte – dass sie vielleicht eines Tages die Lust am Tanzen verlieren könnte und dass der Grund ein anderer war als ihr schmerzender Nacken. Vielmehr gab sie ihrem Herzen die Schuld, das anscheinend allen Elan verloren hatte, und nicht etwa den steifen Knien. Und Angelica hasste es, etwas nicht mit ganzem Herzen zu tun. Sie seufzte und ermahnte sich, dass es nur eines gab, das noch schlimmer war als eine bewegte Vergangenheit, nämlich, überhaupt keine Vergangenheit zu haben.
    Sie schloss die Augen, summte die ersten Takte von »Let’s Face the Music and Dance« und tanzte einen rasanten Quickstepp durch den Saal, bei dem ihre Füße sich rasch, aber dennoch sicher und graziös bewegten und ihre Arme scheinbar schwerelos balancierten – der eine ruhte auf einer unsichtbaren Schulter, der andere ragte in die Höhe, während sich ihr Kopf anmutig zuerst nach links beugte, bevor er sich wie eine Feder im Wind nach rechts wiegte, während Angelica innehielt.

    Und obwohl sie den Tanz in ihrer Phantasie mit Bernard begonnen hatte, war wie immer in der zweiten Strophe Tony hinzugekommen und hatte übernommen, woraufhin ihre Schritte gleich viel geschmeidiger
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