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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht
Autoren: Luanne Rice
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Vater ihrer Töchter, hatte sie ihnen beigebracht, dass man allen Männern misstrauen sollte.
    Wenn sie nach links und rechts sah, verspürte sie eine Mischung aus Traurigkeit und Freude angesichts der Erkenntnis, dass sie erst in hohem Alter eines Besseren belehrt worden war.
    »Ralph.« Sie tippte ihn behutsam am rechten Arm an. Dann drehte sie sich zur anderen Seite und zupfte an Billys Ärmel. »Billy – aufwachen! Wir sind gleich da.«
    »Arrch«, schnaufte Ralph. »Sind wir schon da?«
    »Fast«, sagte Margaret.
    »Hast du Billy aufgeweckt?«
    »Ich gebe mir Mühe. Er schläft ziemlich fest.«
    »Ein trauriger Tag«, sagte Ralph. »Wenn zwei erwachsene Männer nicht einmal die fünfzehn Meilen wach bleiben können, um ihre Herzdame zum Tanz zu begleiten.«
    »Bin ich deine Herzdame?«, Margaret lächelte.
    »Ja.« Ralph drückte ihre Hand. »Aber verrat Billy nichts. Und jetzt versuch noch einmal, ihn aufzuwecken. Schließlich soll er ja voll da sein, wenn wir unseren großen Auftritt haben. Das Wort ›Auftritt‹ solltest du allerdings nicht wörtlich nehmen. Meine Dame …«
    Lächelnd beugte sie sich vor und knuffte Bills Arm. »Mein Lieber, wir sind FAST DA !«, sagte sie sehr laut.
    »Trannk«, brabbelte Billy, während ein wenig Speichel auf sein elegantes blaues Tweedjackett rann. Margaret hielt ihr Taschentuch bereit; er begann zu weinen. »Freniiii. Laxitag. Grennwill!«
    »Ich weiß, Billy«, beschwichtigte sie ihn und trocknete ihm die Augen. »Ich weiß.«
    »Reiß dich am Riemen, Mann«, befahl Ralph. »Wir werden darum kämpfen, wer als Erster mit Margaret tanzen darf, und ich lege Wert auf ein faires Duell. Sieh zu, dass du gut gerüstet bist, bevor du gegen mich antrittst.«
    »Alles klar«, sagte Billy. »Sehr gut. Wir sind gleich da?«
    »Sind wir«, bestätigte Margaret, als sich der Van plötzlich wie von Zauberhand mit dem Duft von Äpfeln füllte. Würzig, scharf, süß … es war, als hätten sie beim Passieren des Staketenzauns, der die Grenze von Chadwick Orchards markierte, den Garten Eden betreten.
    »Der erste Tanz gehört mir«, sagte Ralph und küsste ihre linke Wange.
    »Nein, mir«, entgegnete Billy und küsste ihre rechte Wange.
    Margaret schloss die Augen, doch der Mond war so voll und hell, dass sie Bilder, Gesichter und Szenen aus ihrem Leben sehen konnte. Sie erinnerte sich daran, wie gerne sie mit dem Vater ihrer Töchter getanzt hatte. Thomas war ein wunderbarer Tänzer gewesen. Er hatte ihr viele unvergessliche Augenblicke auf dem Tanzboden geschenkt. Er hatte ihr die beiden Töchter geschenkt.
    Töchter,
dachte Margaret.
Heute werde ich Janes Tochter kennenlernen, in aller Form.
    Der Fahrer parkte den Van. Musik erfüllte die Luft. Margaret rückte Billys Hörgerät zurecht, damit er sie hören konnte. Ralph drückte ihren Arm. Margaret roch die Äpfel. Der Fahrer öffnete die Schiebetür des Wagens. Ein netter junger Mann – sein Name war Ernest. Margaret lächelte ihn an.
    »Sind Sie bereit, Margaret?«, fragte er.
    Sie nickte. Und dann erinnerte sie sich.
    »Chloe«, sagte sie. »Meine Enkelin heißt Chloe.«
     
    Alle beobachteten die Ankunft des Wagens aus der Kuppel: Chloe, Mona, Dylan und Jane. Er fuhr die Anhöhe hinauf, an den Apfelbäumen vorbei, langsam und geschickt, als enthielte er eine kostbare Fracht, hohe Würdenträger, die sich die Ehre gaben. Jane spürte Chloes mit Lampenfieber gepaarte Vorfreude.
    »Was ist, wenn sie mich nicht mag?«, fragte Chloe.
    »Sie wird dich in ihr Herz schließen«, versicherte Jane.
    »Vielleicht ist sie böse auf mich.«
    »Wieso sollte sie?«
    »Weil ich beinahe dein Leben zerstört hätte.«
    Jane schluckte. Die anderen standen eng zusammengedrängt in dem winzigen Raum, aber sie hatte nur Augen für Chloe. Das Mädchen sah sie an, ihre Augen waren so blau und klar wie ein Gebirgsbach. Sie enthielten unergründliche Geheimnisse, Fragen und alle Antworten, die sich Jane je erträumt hatte.
    »Leben zerstören? Das könntest du nicht, niemals.«
    »Ich fürchte doch«, sagte Chloe. »Ich war nahe daran … ich weiß es.«
    Jane blickte sie an.
    »Du weißt es auch, weil du dabei warst. Der Gedanke ist mir gekommen, nicht lange – mit Sicherheit hätte er mich nicht die ganzen neun Monate geplagt – aber eine kleine Weile, im Juni, als ich dachte, als ich dachte …«
    Dylan holte tief Luft. Hatte sie ihm das Geheimnis anvertraut? Jane wusste es nicht, aber sie fand es sehr mutig von Chloe, das Thema
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