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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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mir nicht gelingen. Doch mir blieb keine andere Wahl.
    Der Schmerz trieb mich über die Kante. Ohnmächtiger Zorn ergriff Besitz von mir. Angriffslustig packte ich den Dolch, hielt ihn fester, bereit, ihn in dem nächsten weißmaskierten Engel zu versenken. Ob schuldig oder nicht, war mir in diesem Moment egal. Sie wollten, dass ich wütend wurde – sie hatten mich so weit.
    Mit rasselndem Atem stolperte ich durch einen kurzen, engen Flur, der sich zu einer hohen, von zwei Säulenreihen durchsetzten Halle weitete. Flammen loderten in seiner Mitte. Blaue Flammen, und mittendrin saß Raffael.
    Ich ließ den Dolch sinken. Er war kein Engel, er war eines ihrer Opfer – so wie ich. Ein Blick auf seinen gekrümmten Körper verriet mir, dass er litt. Meinetwegen. Zu welch grausamem Spiel Engel doch fähig waren.
    Ohne Zögern rannte ich auf die blaue Flammenwand zu – besser, ich hätte mich vorher umgesehen. Der erste Feuerball traf meinen Rücken. Ich schlug der Länge nach hin. Ein wütendes Heulen – mein Heulen – ließ Raffael zusammenzucken. Ich stand kurz davor, etwas Böses zu werden.
    Der von der Decke tropfenden Flammenzunge entkam ich nur durch Zufall. Gesehen oder gespürt hatte ich sie nicht – und auch nicht mit ihr gerechnet. Wie dumm von mir, zu glauben, ich könnte einfach durch den Raum spazieren und Raffael befreien.
    Hastig rappelte ich mich auf und stolperte in den schmalenFlur zurück, verfolgt von einem weiteren Feuerball und Raffaels Schrei, als eine blaue Flamme ihm übers Gesicht leckte. Keuchend saß ich auf dem Boden, klammerte Raffaels Anblick aus und konzentrierte mich auf meine Engelskräfte, um das Dunkle in mir zurückzudrängen. Erst, wenn ich wieder ich selbst war, durfte ich weiterkämpfen.
    Meine Beine zitterten, als ich aufstand. Nicht nur sie fühlten sich erbärmlich an. Ich hatte Angst, zu schwach zu sein, um die Engelprüfung bestehen und Raffael retten zu können – versuchen musste ich es trotzdem.
    Der vor mir liegende Raum ähnelte einem gigantischen Kirchenschiff. Gewölbte Decken in erstaunlicher Höhe kreuzten und durchschnitten sich. Allerdings zierten hier keine bunten Fresken den Putz, sondern Flammen in allen möglichen Grüntönen. Wunderschön und brandgefährlich leckten sie aus schwindelerregender Höhe nach unten. Manchmal so tief, dass sie die Bindung zur Decke verloren und herabtropften – auch auf Raffael. Ich schloss die Augen, kurz bevor der Feuertropfen ihn erreichte, und blendete den Schrei aus.
    Ich musste handeln – schnell. Mein Blick wanderte über den Boden. Er war dunkel wie in dem Raum davor, jedoch ohne schwarze Abgründe und auch ohne beißenden Gestank, der mir die Luft abschnürte. Hier roch es beinahe angenehm, blumig, wenn nicht gerade ein Feuerball Haut versengte. Die Gefahr lauerte nicht in der Tiefe, sondern in den senkrecht nach oben ragenden Wänden hinter den Stützpfeilern. Schwarze Löcher, wie Fenster rund oder rechteckig, mit den für Venedig typischen Bögen verziert, fraßen sich in die Wände und verloren sich in der Dunkelheit. Welche Wesen hier auch immer hausten, bösartig waren sie vermutlich alle – nur spüren konnte ich das nicht.
    Vorsichtig verließ ich meine Deckung. Ein qualvolles Stöhnen hallte durch das Kirchenschiff. Blitzschnell warf ich michauf den Boden und schützte mein Gesicht. Doch es war nur Raffael. Nur ?! Mir wurde schlecht, weil ich tatsächlich nur gedacht hatte. Auch wenn er ein fieser, kleiner Flüsterer war, hatte er es nicht verdient, gequält zu werden. Ohne Sanctifers Einfluss wäre aus ihm vielleicht ein halbwegs netter Kerl geworden.
    Ein moosgrüner Feuertropfen züngelte auf mich herab. Ich rollte mich zur Seite und suchte Schutz hinter einem der großen Stützpfeiler, um der nächsten Feuerkugel zu entkommen. Sie war rot, nicht gelb wie die davor, und verpuffte mit einem sanften Plopp keine zwei Schritte von mir entfernt. Der rote Funkenregen, in dem sie verglühte, war hübsch – und schmerzte höllisch. Zu spät erkannte ich die Gefahr, die von den harmlos wirkenden Pünktchen ausging. Schnell wie ein Geschoss wechselten sie ihre Richtung, nachdem sie meine Witterung aufgenommen hatten.
    Das meiste bekamen meine Arme ab und wieder mal mein Rücken. Ein Knurren steckte mir in der Kehle. Ich erstickte es und drängte das Monster zurück.
    Im Schutz der Säule beobachtete ich die unheimlichen Öffnungen. Mit bunten Scheiben verglast, hätten sie wie Kirchenfenster ausgesehen. Eine der
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