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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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größeren Öffnungen lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein hellgelbes Etwas spuckte einen Feuerball aus, kurz bevor es wieder verschwand.
    Ich umrundete die Säule, um dem Geschoss zu entkommen, und löste einen wahren Kugelhagel aus. Rote und gelbe Feuerbälle stoben aus den rechteckigen, Stichflammen aus den runden Öffnungen – und alle zielten auf mich. Panisch rannte ich zurück und suchte Schutz in dem engen Flur. Die Wand lebte ! Unter diesem Dauerbeschuss würde ich Raffael niemals erreichen.
    Meine Flucht schnürte den Feuerkreis um Raffael enger. Beim nächsten Mal würde er brennen. Dass schon jetzt Teile seiner Haut versengt waren, konnte ich riechen – und hören. EinSchrei ließ mich erzittern. Engel waren grausam. Vielleicht sollte ich lieber doch keiner werden.
    Der Schrei verwandelte sich in ein Wimmern. Länger durfte ich nicht warten. Ich konzentrierte mich auf das Muster der Feuersalven. Die Flammen und Feuerbälle folgten einer gewissen Regelmäßigkeit. Allen Geschossen zu entkommen schien aussichtslos, aber zumindest ein paar von ihnen konnte ich ausweichen, wenn ich zum richtigen Zeitpunkt loslief.
    Die erste Flamme versengte mein linkes Hosenbein und die Haut darunter. Ich rannte weiter auf Raffael zu. Wie ich ihn aus dem Flammenkreis befreien sollte, wusste ich nicht, aber vielleicht traf mich noch ein Geistesblitz, bevor ich bei ihm war – falls ich es so weit überhaupt schaffte.
    Rote Minigeschosse steuerten in meine Richtung. Hastig warf ich mich zur Seite. Mein Gesicht entkam, ein Teil meiner Haare nicht. Zerstörerisches Feuer raste die getroffene Haarsträhne entlang. Entschlossen riss ich das Büschel aus – Susan hätte das sicher gefallen. Meine Kopfhaut brannte bestialisch, doch das Feuer wäre schlimmer gewesen. Es hätte sich ausgebreitet.
    Meine Konzentration auf den Takt der Flammen war dahin. Es half nur noch eins: rennen und hoffen. Mein rechter Arm und mein Rücken fingen Feuer. Ich wälzte mich auf dem Boden, bis es erlosch. Der Schmerz blieb – meine Wut wuchs. Welcher sadistische Engel dachte sich solche Prüfungen aus? Er sollte mit Öl übergossen und abgefackelt werden.
    Die blauen Flammen, die Raffael immer enger einschlossen, schlängelten bereits seine Beine empor, als ich ihn erreichte. Seine Augen waren ein einziges Flehen in einem Gesicht, das keines mehr war. Warum hatte ich gezögert? Warum so lange gebraucht? Ich hätte ihm unendliche Qualen erspart, wenn ich schneller gewesen wäre.
    Feuer konnte erstickt werden. Ich hoffte, dass das bei blauenFlammen auch möglich war, und zwang meine Flügel hervor. Das Stechen in meinem geschundenen Rücken war mörderisch, doch sicher nichts im Vergleich mit dem, was Raffael ertragen musste.
    Der erwartete Schmerz, als meine Schwingen das Feuer erstickten, blieb aus. Raffael war unverletzt. Er hatte mich getäuscht. Nur die Maske, die Sanctifer ihm geschenkt hatte, fehlte. Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt, doch mir schauderte bei seinem Anblick. Stattdessen packte ich sein Handgelenk und zerrte ihn auf die Beine. Er zuckte zurück. Immerhin, er fürchtete sich vor mir, dem Racheengel mit den rosafarbenen Flügeln, der kurz davorstand, sich in ein Ungeheuer zu verwandeln.
    Meine Wut auf ihn, Sanctifer und das Prüfungskomitee trieb mich bis an den Rand meiner Selbstbeherrschung. Ein grüner Feuertropfen schubste mich darüber. Noch bevor mein Verstand es verhindern konnte, lag der Dolch an Raffaels Kehle.
    »Was haben sie dir versprochen, damit du mitspielst?!«, presste ich hervor, bemüht, ihn nicht anzuknurren.
    »Ein … ein Ticket … zum Ball«, stammelte Raffael mühsam, als Sanctifers Maske zu neuem Leben erwachte und sich um sein Gesicht schlängelte. Langsam, Schicht für Schicht, gewann er sein altes – blendendes – Aussehen zurück.
    Ich ließ ihn los und duckte mich, was mit den riesigen Flügeln nicht einfach war, um einem roten Geschoss zu entkommen. Raffael reagierte langsamer. Glühende Kügelchen durchbohrten sein Hemd. Dieses Mal war sein Schrei echt, und ich ertappte mich dabei, ihm den Schmerz zu gönnen. Angewidert von mir selbst, zerfiel die Wut, die ich gerade eben noch in mir gespürt hatte. Grausam wollte ich nicht sein, auch nicht als Racheengel.
    Ich steckte den Dolch weg, zog Raffael ein zweites Mal auf die Beine und drängte auf die schmale Wandseite zu, wo ich den Ausgang vermutete.
    »Eine schmerzhafte Einladung zum Tanz. Du hast sie dir redlich verdient«,
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