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Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Titel: Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
Autoren: Nancy Atherton
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zerstört. Miss Beacham wirkte so interessiert an allem, was ich sagte, dass ich einfach immer weiterredete. Ich erzählte ihr von der Leidenschaft der Zwillinge für Pferde –
    und zeigte ihr die Porträts der Tiere, die die Jungs am Vorabend für sie gezeichnet hatten. Ich berichtete ihr von den jüngsten Ereignissen in Finch, darunter der spektakuläre Brand, der im Februar Mr Barlows Kamin zerstört hatte, und beschrieb ausführlich die bunte zerlumpte Armee von Freunden, die ich in der St. Benedict’s Church gefunden hatte.
    Auch meiner neuen Freundin gab ich genügend Gelegenheit, von sich zu erzählen, aber ich drängte sie nicht. Meine Aufgabe war es, sie zu unterhalten, nicht zu verhören.

    Erst bei meinem vierten Besuch ließ Miss Beacham ein paar Einzelheiten aus ihrem eigenen Leben in das Gespräch einfließen. Als ich erwähnte, dass Bill Anwalt war, vertraute sie mir an, dass sie neunundzwanzig Jahre lang als Anwaltsgehilfin in London gearbeitet hatte, ehe sie vor sechs Jahren nach Oxford gezogen war, um näher bei ihrem Bruder Kenneth zu sein. Als sie den Namen nannte, spitzte ich die Ohren – vor allem, weil ich ihn aufspüren und ihm gehörig die Meinung sagen wollte, was für ein mieser Kerl er war, dass er sich so gar nicht um seine Schwester kümmerte –, doch dann wich sie vom Thema ab und sprach von ihrer Begeisterung fürs Backen. Zwischendurch gab sie mir mit geschlossenen Augen aus dem Gedächtnis ihr Rezept für Rosinenbrot, das ich heimlich auf die Rückseite eines Lesezeichens kritzelte.
    »Wie sehr ich meine Küche vermisse!«, gestand sie mir. »Das Abmessen und Mischen, den Duft von frischgebackenen Brotlaiben, der durch die ganze Wohnung zieht, den Anblick der Butter, die auf einer dicken warmen Scheibe zerfließt …« Sie seufzte.
    »Was fehlt Ihnen sonst noch?«, fragte ich. »Gibt es irgendetwas in Ihrer Wohnung, das Sie hier bei sich haben wollen? Ich besorge es Ihnen mit dem größten Vergnügen.«

    »Nein, nein, mir fehlt wirklich nichts.« Sie zö gerte, und für einen kurzen Moment richtete sich ihr Blick nach innen. »Na ja, eines vielleicht …«
    »Sagen Sie’s«, ermunterte ich sie.
    Ihre Lippen kräuselten sich zu einem eigenartigen Lächeln. »Hamish«, flüsterte sie. »Ich vermisse Hamish.«
    »Ihr Kater?«, riet ich. Schon hatte ich mir insgeheim geschworen, sämtliche Krankenhausvorschriften zu brechen und ihr das Tier zu bringen, wenn es tatsächlich das war, was Miss Beacham wollte. Aber wie sich herausstellte, hatte ich mich geirrt.
    »Ich habe keine Katze«, antwortete Miss Beacham. »Meine Wohnung hat keinen Garten, verstehen Sie, und ich glaube nicht, dass eine Katze wirklich glücklich ist, wenn sie nicht raus ins Freie kann. Nein, ich habe keine Schoßtiere.«
    »Wer ist dann …?«
    In diesem Moment schwang die Tür auf, und Schwester Willoughby steckte den Kopf herein.
    »Schnell, Lori«, zischte sie und winkte mich hektisch zu sich. »Sie haben die Besuchszeit schon überzogen, und die Stationsschwester ist im Anmarsch. Wenn sie Sie erwischt, reißt sie mir den Kopf ab – und Ihnen auch.«
    »Fürs Wochenende bin ich ausgebucht«, erklärte ich Miss Beacham hastig. »Aber am Montag komme ich wieder.«
    Ich beugte mich über sie und gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange, dann jagte ich mit Höchstgeschwindigkeit aus dem Zimmer. Grinsend verließ ich das Gebäude, denn schon schwirrten mir Pläne durch den Kopf, wie ich meiner neuen Freundin am Montagmorgen eine nette Überraschung bereiten konnte. Es sollte die erste von einer ganzen Serie sein, dachte ich. Ich glaubte, ich hätte alle Zeit der Welt, um Miss Beacham besser kennenzulernen und in Erfahrung zu bringen, wer Hamish denn nun war.
    Ich täuschte mich.

2
    BESTENS GELAUNT KEHRTE ich am Montagmorgen ins Krankenhaus zurück. Einen großen Teil des Wochenendes hatte ich in meiner Küche verbracht, wo ich sieben Rosinenbrote nach Miss Beachams Rezept gebacken hatte, bis mir schließ lich eines gelungen war, das ich für gut genug erachtete, um es ihr zu überreichen. Den makellosen goldenen Laib hatte ich nun dabei. Vor der Abfahrt hatte ich ihn sorgfältig in Alufolie eingeschlagen, das Ganze in ein Baumwolltuch verpackt und zum Schluss mit einem blassrosa Band verschnürt.
    Zwar bezweifelte ich, dass Miss Beacham das Brot würde essen können – sie war auf eine strenge Diät gesetzt worden –, doch ich hoffte, der Duft würde einen Anflug von heimischen Gefühlen in ihrem
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