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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal
Autoren: Nancy Atherton
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Antwort zeigte Nell wortlos auf den Ledersessel gegenüber dem von Willis senior, auf dem halb im Schatten ein zusammengefaltetes Blatt Papier lag. Als Emma die Lampen über dem Kamin anknipste, sah ich, dass das Blatt weiß und unliniert war, der ungleichmäßige Rand deutete darauf hin, dass es irgendwo herausgerissen worden war, womöglich aus dem …
    Mein Blick fiel auf den Platz auf dem Regal, wo Tante Dimitys blaues Tagebuch immer stand.
    »Es ist nicht dort«, teilte Nell mir mit. » Darum dachte ich auch, dass Tante Dimity mit ihm gegangen ist.«
    Ich nickte geistesabwesend und ließ meine Augen schnell von der schmalen Lücke in der Bücherreihe bis zum Ende des Bordes wandern. Ein Kribbeln kroch mir den Rücken entlang, als ich eine weitere, etwas größere Lücke entdeckte.
    »Großer Gott«, sagte ich leise. »Er hat auch Reginald mitgenommen.«

4
    »WILLST DU DAMIT sagen, dass mein Schwiegervater mit Tante Dimity und meinem rosa Kuschelhasen durchgebrannt ist?«, fragte ich, indem ich mich zu Nell umdrehte.
    Zum ersten Mal seit unserer Ankunft runzelte Nell leicht die Stirn, als sie zu der Stelle auf dem Bücherbord hochsah, wo mein rosa Flanellhase normalerweise saß.
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Vielleicht kann Tante Dimity es dir sagen.«
    »Richtig.« Ich ging zum Sessel und sah misstrauisch auf den Zettel. Es war eine Seite, die aus dem blauen Tagebuch herausgerissen, zusammengefaltet und sorgfältig mitten auf die Sitzfläche gelegt worden war. Ich hob sie auf, faltete sie auseinander und hielt überrascht die Luft an.
    Kein Zweifel, es war Tante Dimitys Handschrift. In dieser schönen Schrift, kursiv und in königsblauer Tinte, hatte sie Worte des Trostes an meine Mutter gerichtet und Geschichten geschrieben, die mir meine Kindheit erhellten. Ich hatte stundenlang über dieser Handschrift gesessen und jede Schleife, jedes Häkchen war mir vertraut, eine Fälschung hätte ich sofort erkannt.

    »Es ist wirklich von Tante Dimity«, murmelte ich und setzte mich vorsichtig hin.
    Nell nickte. »Das dachte Bertie auch.«
    »Was schreibt sie?« Emma setzte sich mir gegenüber, während Nell auf der Ottomane Platz nahm, zu ihren Füßen hatte sich Ham zusammengerollt.
    »Es geht um William«, antwortete ich. »Hört zu:

    › Meine liebe Lori ,
    was um alles in der Welt ist denn nur seit meinem letzten Besuch passiert? Aber lassen wir das .
    Keine Zeit . William hat fast fertig gepackt .
    Also um es kurz zu machen : William hat es sich in den Kopf gesetzt , einige Familienangelegenheiten aus Gegenwart und Vergangenheit zu untersuchen .
    Er muss daran gehindert werden . Es ist gar nicht auszudenken , was da alles zutage kommen könnte .
    Die Menschen sind oft sehr unnachgiebig , wenn es um große Geldsummen geht .
    Er ist nach Haslemere gefahren , um mit seinem englischen Vetter Gerald Willis zu sprechen . Du musst hinterherfahren und den alten Dummkopf davon überzeugen , dass er seinen Geschäften auf etwas konventionellere Art und Weise nachgehen muss . Reginald und ich werden in Williams Aktenkoffer mitfahren . Wir werden uns nach Kräften um ihn kümmern , bis du ankommst .
    Ich schreibe mehr , sobald ich mehr über die Angelegenheit weiß , aber jetzt muss ich weg . William hat es so eilig , dass ich ‹«

    Ich sah Emma an.
    »Lies weiter«, sagte sie.
    »Das ist alles«, sagte ich. »Mehr steht hier nicht.
    Es hört mitten im Satz auf.« Während ich das Blatt näher untersuchte und Emma ratlos auf den leeren Kamin sah, hob Nell das Buch auf, das Willis senior gelesen hatte, und blätterte es durch. Einen Augenblick lang hörte man nur das Rascheln der Seiten und das Ticken der Uhr auf dem Kamin.
    Dann sprach Emma. »Ich frage mich, was Dimity meint mit ›was da alles zutage kommen könnte‹«, sagte sie nachdenklich.
    »Ich frage mich, was sie mit ›Familienangelegenheiten aus Gegenwart und Vergangenheit‹
    meint.« Nell sah grüblerisch das Buch an, das Willis senior gelesen hatte, ehe sie es wieder hinlegte.
    »Und Bertie möchte wissen, was es mit den großen Geldsummen auf sich hat.«
    »Trotzdem sind wir jetzt besser dran als vorher«, bemerkte Emma. »Wenigstens wissen wir, wohin er gefahren ist.«

    »Er besucht seinen Vetter Gerald«, sagte Nell.
    »Also weißt du jetzt, wo du ihn suchen musst, Lori.« Sie wartete auf meine Antwort, sah verstohlen ihre Stiefmutter an und wiederholte dann lauter:
    »Lori?«
    Ich tat einen kleinen ratlosen Seufzer.
    Emma legte die Hand auf
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