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Tagebuch der Lust

Tagebuch der Lust

Titel: Tagebuch der Lust
Autoren: Ava Pink
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nicht zu übergeben. Ich hatte mich tatsächlich in Atlantas Vergnügungsviertel verirrt und kannte den Ausweg nicht.
    Mein Erscheinen blieb nicht unbemerkt und ich wurde belästigt. Zwei Kerle, die offensichtlich zu viel Whiskey intus hatten, rissen an Ghosts Zügel, sodass ich fast von seinem Rücken gefallen wäre. Ich trat nach den Betrunkenen, doch das stachelte sie nur noch mehr an, mir Obszönitäten zuzurufen und nach meinen Beinen zu greifen. Panisch schrie ich auf und versuchte, mich aus dem Staub zu machen. Doch es kamen immer mehr Männer hinzu, und letztendlich schafften sie es doch, mich vom Pferd zu zerren. Wie eine wild gewordene Furie schlug ich um mich und brüllte aus Leibeskräften. Es musste hier doch einen halbwegs anständigen Mann geben, der mich rettete. Aber im Moment sah es so aus, als sei ich der Meute hilflos ausgeliefert. Die Männer rissen an meinem Kleid und meiner Perücke. Ich spürte ihre gierigen Hände überall an meinem Körper. Die Nähte meines Mieders gaben nach und mein Busen wurde entblößt. Als eine grobe, schwielige Hand danach griff, heulte ich auf wie ein verwundetes Tier. Das sollte also mein Ende sein? Hier würde ich mein Leben verlieren, vergewaltigt und geschändet von einer Horde versoffener Kerle? Das durfte nicht geschehen! Ein letztes Mal nahm ich alle meine Kraft zusammen und schlug um mich. Meine Fingernägel bohrten sich tief in das Gesicht eines meiner Angreifer, und ich vernahm sein gepeinigtes Brüllen. Immer heftiger trat, biss und kratzte ich, bis ein Schuss den Tumult durchschnitt.
    „Lasst sie in Ruhe, ihr Abschaum“, hörte ich die Stimme eines Mannes und meinte, sie zu kennen.
    Ein zweiter Schuss hallte durch die Nacht, und endlich ließen sie von mir ab. Der Mann kam auf mich zu, und mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich konnte es nicht fassen. Trotz des Bartes, der sein Gesicht überwucherte, erkannte ich ihn sofort: Jethro. Er war gekommen, um mich zu retten und wusste nicht einmal, dass ich es war. Erleichtert brach ich zusammen.
    Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einer Kutsche. Meine Gedanken schlugen Purzelbäume. Langsam kam die Erinnerung zurück und als ich Jethro mir gegenüber sitzen sah, traf es mich wie ein Schlag. Unwillkürlich griff ich mir ins Haar und stellte entsetzt fest, dass meine Perücke fehlte, ebenso meine Augenmaske. Jethro hielt beides, ohne ein Wort zu sagen, in die Höhe.
    „Jethro“, flüsterte ich. „Es ist nicht so, wie du denkst.“
    „Was soll ich denn denken, Victoria?“, sagte er scharf. „Das du Antoinette bist? Das du in den vergangenen Jahren mit mehr Männer geschlafen hast als jede billige Hure?“
    „Sag so etwas nicht“, flehte ich. „Ich habe es getan, weil dein Vater mich so sehr hasst. Weil ich einsam war. Weil du nicht bei mir warst.“ Ich seufzte und senkte den Kopf.
    Das Letzte, was ich wollte, war, dass Jethro davon erfuhr. Wie konnte er mich jetzt noch lieben? Ich sah es in seinen Augen. Seine Verachtung und Enttäuschung. Ich hatte alles zerstört.
    „Wo bist du gewesen? Warum treibst du dich mitten in der Nacht in dieser Gegend herum?“ wollte er wissen.
    „Ich war bei Otis“, antwortete ich, doch als sein schockiertes Gesicht sah, sagte ich schnell:
    „Nein, ich habe nicht mit Otis geschlafen. Ich wollte wissen, wo du bist. Ich habe dich gesucht, Jethro. Ich liebe dich noch immer.“
    Jethro lachte bitter auf und sein hübsches Gesicht nahm einen harten Zug an.
    „Hast du eigentlich eine Ahnung, durch welche Hölle ich wegen dir gegangen bin, Victoria? Dich nicht haben zu dürfen, weil du ihm gehörst. Nacht für Nacht habe ich versucht, dein Gesicht zu vergessen. Ich habe mehr getrunken als jeder Matrose, und mehr Prügeleien angezettelt, als jeder Ire. Alles nur, um dich zu vergessen. Aber es half alles Nichts. Du spukst in meinem Kopf herum, Tag für Tag. Es verging keine Minute, in der ich nicht an dich gedacht habe.“
    „Warum bist du nicht zu mir gekommen?“, fragte ich leise.
    „Um was zu tun? Mit anzusehen, wie dieser Mistkerl dich behandelt? Ich schäme mich furchtbar, dass ich sein Treiben die ganzen Jahre geduldet habe. Er hat schon meine Mutter zerstört, und ich habe nichts getan. Ich bin ein Feigling, Victoria. Ein riesengroßer Feigling.“
    „Wie meinst du das, Caleb hat deine Mutter zerstört?“, bohrte ich. „Alisha erzählte mir, dein Vater ist erst nach dem Tod eurer Mutter so geworden.“
    „Er ist nicht mein Vater“, entfuhr es Jethro.
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