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Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Titel: Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)
Autoren: Karim El-Gawhary
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ziehen, aber wir haben große Auseinandersetzungen mit den Salafisten und anderen radikalen Islamisten“, sagt Mohammed Abdel Fattah.
    So sind die Muslimbrüder zwar die größte organisierte Gruppe in der politischen Landschaft Ägyptens, aber sie drohen auseinanderzubrechen. Zumindest laufen sie Gefahr, dass ihnen die eigene Jugend auf dem Tahrir-Platz davonläuft und Bündnisse mit den anderen, säkularen Jugendgruppierungen schließt.
    Einen Hinweis darauf gab ein Aufruf der Aktivisten zu einem großen „Zweiten Tag des Zornes“ am 27. Mai. Auf der Großdemonstration am Freitag wurden vor allem die Intransparenz und Nicht-Haftung bei den Entscheidungen der Militärführung beklagt und ein Ende der Militärgerichte gefordert. „Ich kann den Wandel nicht spüren, deswegen bin ich hier auf dem Tahrir“, riefen die Demonstranten. Anders als bei früheren Protesten hatte die Muslimbruderschaft diesmal ihre Mitglieder aufgerufen, den Protesten fernzubleiben. Man wolle keinen Zwist zwischen der Bevölkerung und der Militärführung schüren, lautete die Begründung. Doch gerade viele jüngere Mitglieder der Muslimbrüder ignorierten die Anweisung ihrer Führung, kamen trotzdem auf den Platz und mussten sich dort mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass die Führung der Muslimbrüder mit dem Militär gemeinsame Sache mache, den Wandel aufzuhalten. Am nächsten Tag brach darüber gar ein offener Streit innerhalb der Muslimbruderschaft aus, weil deren offizielle Webseite bei ihren Berichten über den Protesttag versucht hatte, diesen kleinzuschreiben und zu diskreditieren. „Diese Webseite spricht im gleichen Ton des Mubarak-Regimes“, formulierte der Bruderschafts-Blogger Hossam Yahia die Kritik aus den eigenen Reihen. Je weiter die Diskussion fortschreitet, wie die neue arabische Welt genau aussehen soll, desto deutlicher werden die Widersprüche innerhalb der Islamisten zutage treten. Das Konzept, das keine Trennung von Religion und Politik vorsieht, steht mit den arabischen Revolutionen vor einer Zerreißprobe.
    Als ein Vorwand, den Demokratisierungsprozess aufzuhalten, sollte das Gespenst der Machtübernahme durch die Islamisten jedenfalls nicht dienen. Selbst prominente säkulare Tahrir-Aktivisten wie Wael Khalil lassen dieses Argument nicht gelten. In einer Diskussion in seinem Freundeskreis fasste er die Herausforderungen von Ägyptens junger Demokratiebewegung in ein schönes Bild. „Wie schafft man eine gute Fußballmannschaft?“, fragte er in die Runde. „Im Fitnessstudio oder indem ich sie auf dem Platz spielen lasse?“
    Folgen dem politischen Wandel gesellschaftliche Veränderungen?
    Im Zentrum dieser Frage stehen neben dem Verhältnis zwischen Muslimen und Christen die Rechte der Frauen. Wie groß die gesellschaftlichen Herausforderungen sind, zeigt eine Studie des renommierten PEW Forschungsinstitutes einen Monat nach dem Sturz Mubaraks. Nur 39 Prozent der Ägypter hatten bei einer landesweiten Umfrage angegeben, dass Frauen die gleichen Rechte haben sollten wie Männer.
    Zwar hatten Frauen aktiv am Aufstand gegen Mubarak teilgenommen, zwar war die Präsenz der Frauen auf dem Tahrir-Platz nicht wegzudenken, „aber als es vorbei war, haben uns die Männer gesagt, vielen Dank, ihr könnt wieder nach Hause an den Herd“, meint die Frauenrechtlerin Fatma Khafagy verbittert.
    In einem Komitee, das von der Militärführung eingesetzt worden war, um eine Verfassungsänderung vorzubereiten, saß keine einzige Frau. In der ägyptischen Übergangsregierung gab es nur eine Ministerin.
    Damit nicht genug. Gesetze, die sich die Frauenrechtlerinnen jahrelang erkämpft hatten, im Familien, Ehe- und Scheidungsrecht, wurden nun wieder vor allem von islamistischen Gruppen in Frage gestellt. Eines der großen Probleme zu Mubaraks Zeiten war, dass viele dieser Gesetze von der gestürzten First Lady Suzanne Mubarak durchgedrückt wurden und nun mit ihr assoziiert waren. Suzanne Mubarak hatte einst zum Telefon gegriffen und den Parlamentspräsidenten Fathi Sorour angerufen, der erledigte den Rest. In Tunesien spielte die First Lady Leila Trabelsi eine ähnliche Rolle. Nun stehen diese inhaltlich für die Frauen positiven, aber auf autoritäre Weise durchgesetzten Gesetze am Pranger und die Abkürzung über die First-Diktatoren-Lady rächt sich nun. Am Ende müssen die Frauen sich ihre Rechte in der Gesellschaft mühevoll erstreiten, und dieser Kampf steht ihnen nun bevor.
    „Wir tragen ein schweres Erbe von
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