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Tabu: Roman (German Edition)

Tabu: Roman (German Edition)

Titel: Tabu: Roman (German Edition)
Autoren: Ferdinand von Schirach
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sein. Helden werden bewundert. Aber sie gehen unter.«
    »Und wie soll ich sonst ein Geständnis bekommen? Was ist die beste Vernehmungsmethode?« Der Polizist sprach leise, er starrte vor sich auf den Zeugentisch.
    »Höflichkeit«, sagte Biegler. »Sie können jeden Kriegsgefangenen fragen. Er spricht nie über die körperlichen Qualen. Er spricht von der Einsamkeit, der Verlassenheit. Er will jemanden, der mit ihm spricht – als Mensch.«
    »Und wenn ich keine Antworten bekomme?«, fragte der Polizist.
    »Dann bekommen Sie keine«, sagte Biegler.
    Der Polizist hob den Kopf und sah Biegler an. »Vielleicht haben Sie recht«, sagte er, »ich würde es trotzdem wieder tun.«
    Erneut wurde es laut im Gerichtssaal. Manche Fragen werden besser nie gestellt, dachte Biegler.
    Der Polizist fasste in sein Hemd und lockerte die Krawatte. Biegler sah, dass sein Kragen feucht vom Schweiß geworden war.
    »Gibt es noch Fragen an den Zeugen? Nein? Dann sind Sie mit Dank entlassen«, sagte der Vorsitzende.
    Der Polizeibeamte stand auf, schüttelte den Kopf und verließ den Gerichtssaal.
    »So, wir müssen jetzt über die Frage der Unverwertbarkeit des Geständnisses beraten«, sagte der Vorsitzende. »Wir werden Zeit dafür brauchen. Wir sehen uns am Donnerstag um neun Uhr wieder, die Prozessbeteiligten sind alle bereits geladen. Die Hauptverhandlung ist unterbrochen.«
    »Danke«, sagte Eschburg zu Biegler, als sie alleine waren.
    »Es ist noch nicht zu Ende. In der nächsten Verhandlung wird der Vorsitzende Sie fragen, ob Sie sich äußern wollen. Wir sollten das heute Nachmittag in der Haftanstalt besprechen. Aber vor allem müssen wir jetzt Ihre Schwester laden«, sagte Biegler.
    »Nein«, sagte Eschburg und schüttelte den Kopf. Er gab Biegler einen zusammengefalteten Zettel. »Bitte gehen Sie dorthin. Sie werden einen Umschlag bekommen. Sehen Sie sich das alles an, und dann kommen Sie bitte wieder zu mir. Nur das wird meine Äußerung in diesem Prozess sein. Meine Schwester brauchen wir nicht.«
    Biegler nahm den Zettel und faltete ihn auseinander. »Das ist die Adresse eines Notars«, sagte er.
    Eschburg nickte.
    »Noch ein Auftrag für den Laufburschen?«, fragte Biegler.
    Eschburg lächelte.
    »Übertreiben Sie es nicht, Eschburg«, sagte Biegler. Er verließ den Saal. Auf dem Flur beantwortete er die Fragen der Journalisten. Aber die ganze Zeit über dachte er nur an den Zettel in seiner Tasche.

9
    Vom Gericht aus fuhr Biegler sofort zu der Adresse, die ihm Eschburg gegeben hatte. Der Notar begrüßte ihn freundlich, sie kannten sich aus dem Studium. Er übergab Biegler einen großen versiegelten Briefumschlag und wünschte ihm Glück.
    Biegler riss den Umschlag noch auf der Straße auf. Er enthielt nur einen USB -Stick und ein Schriftstück. Biegler fuhr mit dem Taxi in seine Kanzlei und steckte den Stick in seinen Laptop. Eine halbe Stunde später kam Bieglers Sekretärin in sein Büro. Sie sah ihn hinter dem aufgeklappten Laptop sitzen. Und, ganz gegen seine Gewohnheit, lachte er.
    Biegler bat seine Sekretärin, einen großen Fernseher zu kaufen und ihn in das Gericht schaffen zu lassen. Er telefonierte mit dem Vorsitzenden und erklärte ihm, dass Eschburg den Bildschirm für seine Einlassung brauche. Nach einigem Hin und Her stimmte der Vorsitzende zu. Er bat Biegler, Staatsanwältin Landau zu informieren.
    Biegler fuhr ins Gericht, zog im Anwaltszimmer zwei Kaffee aus dem Automaten und ging zu dem Dienstzimmer von Staatsanwältin Landau.
    »Ich habe Kaffee in Plastikbechern mitgebracht«, sagte er.
    »Klingt toll«, sagte sie.
    »Seien Sie nicht sarkastisch«, antwortete Biegler. Er setzte sich auf den Besucherstuhl. Aus dem Becher schwappte Kaffee auf den Ärmel seines Jacketts.
    »Das geht wieder raus«, sagte sie. »Einfach mit Wasser.«
    »Gut«, sagte er.
    »Sie dürfen es nur nicht in den Stoff reiben.«
    Sie schwiegen. Biegler wusste, dass es jetzt kommen würde. Es war ihm unangenehm.
    »Ich war beeindruckt, wie Sie den Polizisten befragt haben«, sagte Landau.
    »Das ist ganz überflüssig«, sagte Biegler.
    »Nein«, sagte sie. »Ich habe einen Fehler gemacht, als ich den Polizisten mit Ihrem Mandanten allein ließ.« Sie sprach leise.
    »In Ordnung. Ich habe mit dem Vorsitzenden gesprochen. Nach der Aussage des Polizisten geht das Gericht jetzt davon aus, dass Ihr Vermerk stimmt. Der Vorsitzende wird Sie also nicht als Zeugin hören.«
    »Danke«, sagte Landau. Sie schien erleichtert zu sein.
    »Na
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