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Tablettenfee

Tablettenfee

Titel: Tablettenfee
Autoren: Gunter K. Kubicza
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er mit recht hämischem Unterton.
    »Klar!«, rief Udo, der gerade mit zwei riesen Schritten und einem Sprung die erste Stiege bis zum Zwischenplateau auf dem Weg nach unten hinter sich gebracht hatte. Ratschi hakte nach. Er beugte sich über das Geländer und rief nach unten: »Aba willst duh dahs echt OHNE Hose machen?«
    Dabei grinste er wie ein Mafia-Pate, der eben den Coup seines Lebens ins Trockene gebracht hatte. Stopp! Von null auf hundert bremste Udo ab. Dabei war er auch schon im Parterre und hatte eben zeitgleich mit dem Rufen vom Postboten die Hausmeisterin begrüßt. Diese blickte den zur Bewegungslosigkeit erstarrten Udo aus misstrauischen Augen an. Gemeinsam blickten die beiden auf Udos nackte Beine und auf seine Simpsons-Boxershorts, in denen er vor der mürrischen Hausmeisterin stand. Auf den Shorts stand auf der Vorderfront groß der Schriftzug
    ›Ay Caramba!‹. Darunter war die Abbildung des Kopfes von Bart Simpson, dem gelbgefärbten Strolch der Zeichentrickserie.
    ›Ay Caramba!‹, das dachte sich auch Udo in diesem Moment. Da wurde ihm auch klar, wie er in diese Situation geraten hatte können. Genau, er war ja gestern gleich nach dem Gang auf die Toilette eingeschlafen. Aber konnte das sein? Das waren dann ja mehr als zwanzig Stunden gewesen. Die Hausmeisterin hatte die Shorts anscheinend genug gemustert, denn ihr Blick wanderte nun wieder hoch zu Udos Gesicht. Dieser blickte sie verschmitzt an, zuckte mit den Schultern, machte am Absatz kehrt und lief die Stiege wieder retour hoch bis zu seiner Wohnung. Nun bemerkte er auch die Kopfschmerzen wieder. Es kam ihm sogar vor, als wären sie schlimmer geworden. Oben angekommen, stand Ratschi immer noch neben seiner Tür und blickte ihn schelmisch und feixend an.
    »Jaaaa … is ja gut«, ätzte Udo und sperrte die Tür wieder auf.
    »Luhstige Unterhohse.«
    Udo reagierte gar nicht und schloss die Tür auf. Bevor er sich aber eine Hose suchte und auch das rote T-Shirt des Revolutionärs gegen sein Hemd austauschte, suchte er sein Handy. Ah! Da lag es – am Boden. Der Akku war, vermutlich als Folge des Aufpralls von gestern, leicht rausgesprungen. Somit war auch klar, warum der tägliche Weck-Alarm nicht abgehen hatte können. Nun verstand er die Welt wieder.
Die Erinnerungen kamen zurück.
    Nachdem der Akku wieder drin war und sich das Handy wieder beim Netzbetreiber angemeldet hatte, wählte er als Erstes die Nummer seines Arbeitgebers. Udo arbeitete seit knapp fünf Jahren bei der Getränkefirma ›Schlürpmanns Sprudelwater‹. Schlürpmanns Sprudelwater hieß bis vor einem Jahr ja eigentlich noch Schlürpmanns Sprudelwasser. Aber im Rahmen einer angestrebten EU-Förderung und Internationalisierung wurde aus Wasser – Water. Dahinter steckte ein gewisser Ingenieur Leitner, sein blödsinniger Abteilungsleiter und Vorgesetzter. Dieser hatte den Vorschlag gemacht, um auch den Namen der Firma ein wenig zu internationalisieren. Grenzenloser Schwachsinn, wie Udo nicht nur damals schon befunden hatte. Aber er hatte sich gar nicht dagegen aufgelehnt, wär eh umsonst gewesen. Seine Meinung fand niemals Gehör. Erschwert wurde das Ganze von der Tatsache, dass ihn und Leitner immer schon eine gewisse Hass-Freundschaft verbunden hatte. Eher Hass-Feindschaft. Leitner, besser gesagt: Ingenieur Leitner.
    »So viel Zeit muss sein«, pflegte dieser zu sagen, wenn jemand seinen Titel vergaß. Leitner hatte es sich zur spaßigen Aufgabe gemacht, Udo der Lächerlichkeit preiszugeben. Anfangs hatte er ihn nur ignoriert.
    Udo stellte sich die Frage, was nun besser war. Dass Leitner ihn nicht mochte, war ihm egal. Was Udo aber zu schaffen machte, war dieser perfide Herdeneffekt, den Leitner schuf. Mittlerweile war es schon fast soweit, dass dank des steten Spottes von Leitner, keiner Udo mehr so ganz für voll nahm. Natürlich litt nicht nur er selbst darunter, sondern auch seine Ideen und Vorschläge. Vorschläge, die nicht schlecht waren. Udo sinnierte oft über die Firma in seiner Freizeit nach und äußerte dann Verbesserungsvorschläge. Vorschläge, die dann von Leitner per se als nicht umsetzbar und realitätsfremd abgetan wurden. Meist tauchten diese aber dennoch wieder auf. Eine Woche später, einen Monat später – mit leicht verändertem Wortlaut. Präsentiert durch …
    ›Tusch und Trommelwirbel‹ Ingenieur Leitner!
    Wenn diese dann von eben jenem Unseligen präsentiert wurden, wurden sie mit großem Respekt angenommen und auch meist prompt umgesetzt.
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