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Susanne Barden - 03 in New York

Susanne Barden - 03 in New York

Titel: Susanne Barden - 03 in New York
Autoren: Helen D. Boylston
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wenig Geschick konnte man aus allem etwas machen. Im Kriege hatten die Krankenschwestern auch mit den primitivsten Hilfsmitteln auskommen müssen. Einen wesentlichen Unterschied gab es da allerdings. Die Krankenschwestern im Kriege brauchten nicht zu unterrichten. Die Henry-Street-Schwestern hingegen mußten gleichzeitig pflegen und lehren. Ja, im Grunde war das Unterrichten ihre eigentliche Aufgabe.
    »Sie selber sollten nach dem ersten Besuch möglichst wenig tun«, riet die Lehrerin. »Lassen Sie ein Familienmitglied den Patienten versorgen, während Sie nur darüber wachen, daß alles richtig gemacht wird. Es ist vor allen Dingen notwendig, daß die Leute so unabhängig wie möglich von fremder Hilfe werden. Verstehen sie etwas von Krankenpflege, dann sind sie nicht mehr verwirrt und kopflos, wenn jemand von der Familie erkrankt. Sie wissen dann, was sie zu tun haben, bis die Krankenschwester oder der Arzt kommt. Auch können sie den Patienten zwischen den kurzen Besuchen der Schwester sachgemäß pflegen.
    Heute nachmittag werden Sie in Begleitung älterer Schwestern Besuche machen. Geben Sie gut acht, wie Ihre Begleiterin mit den Familien umgeht, welche Lehren sie gibt und wieviel die Leute schon wissen. Nach ein paar Tagen werden Sie allein losziehen und eigens für Sie ausgewählte Fälle übernehmen. Am Ende der Woche wird die ältere Schwester Sie dann noch einmal begleiten und Ihnen bei etwa aufgetauchten Schwierigkeiten raten. Scheuen Sie sich nicht, Fragen an sie zu stellen. Sie ist dazu da, Ihnen zu helfen.«
    Damit war der Vortrag beendet. Susy stellte erstaunt fest, daß es fast Mittag geworden war. Bevor die Mädchen sich zerstreuten, wurde ihnen noch gesagt, wie sie zu ihren Kreisbüros gelangten. Außerdem erhielten sie ihre Taschen. In wachsender Erregung verließen Kit und Susy das Haus.
    »Wollen wir nicht gleich zur Henry Street fahren?« schlug Kit vor. »Sicherlich können wir dort in der Nähe etwas essen. Und wenn wir uns jetzt schon auf den Weg machen, haben wir wenigstens Zeit, uns zu verirren.«
    »Müssen wir uns denn verirren? Vielleicht könnten wir ausnahmsweise mal auf geradem Weg zum Ziel gelangen.«
    »Wir können es ja versuchen«, antwortete Kit lachend. Wirklich stiegen sie auf der richtigen Station aus. Nachdem sie in einem kleinen Restaurant etwas gegessen hatten, gingen sie zu Fuß weiter.
    »Es ist kälter hier«, bemerkte Susy. »Ich rieche das Meer.« Und dann nach kurzem Schweigen: »Kit, ich habe Angst.«
    »Ich auch - wenigstens ein bißchen. Anfänge sind immer gräßlich. Man fühlt sich so unsicher, weil alles noch unbekannt ist. Und wir sind noch niemals in Wohnungen gewesen, um Kranke zu pflegen.«
    Susy nickte. »Das ist es eben. Wenn diese Woche doch erst um wäre! Dann werden wir wissen, was wir zu erwarten haben. Ach, komm, laß uns durch diese Straße gehen!«
    Die Straße, auf die Susy plötzlich so eifrig zusteuerte, hieß Hester Street. Als die Mädchen sie betraten, tauchten sie in eine bunte lärmende Welt, die ganz neu für sie war. Es war eine enge schmutzige Straße. Aber die niedrigen grauen Mietshäuser ließen immer noch genügend Licht und Luft herein. Die Sonne überflutete eine lange Reihe von Wagen, auf denen die verschiedensten Dinge lagen. Da sah man Obst und Gemüse, alte Kleider, Werkzeuge, getragene
    Schuhe, billige Süßigkeiten, Uhren und Spielzeug. Hier war allerlei wertloser Krimskrams zusammengetragen, der ausrangierte alte Plunder einer großen Stadt. Die Strahlen der Sonne stahlen sich durch staubige Fenster von Trödelläden; sie glitten über blind gewordenes Messing, alte Wanduhren, Lampen, abgenutzte Möbel und unechten Schmuck.
    Trotz des eisigen Windes wimmelte es in der Straße von Menschen. Höker schrien ihre Waren aus; Hausfrauen feilschten und zeterten; Kinder liefen kreischend durch die Menge. Vor den Haustüren saßen alte Leute, die Gesichter unbewegt, aber die Augen lebhaft und interessiert. Der Geruch von Obst, von Heringen und vom Meer vermischte sich mit dem Geruch gerösteter Kastanien und würziger Holzfeuer, die am Rinnstein entlang in kleinen Blecheimern schwelten. Sah man die Straße hinunter, so fiel der Blick auf schräge Dächer und ragende Schornsteine, hinter denen der fein geschwungene Bogen einer Brücke in der Sonne aufleuchtete.
    Susys Augen blitzten. Ihre Angst war vergessen. »Ich fühle mich wie elektrisiert!« rief sie. »Und ich dachte, die Slums wären trübselig.«
    Strahlend drängten sich die
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