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Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price
Autoren: Die Elfling Saga
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sie dem Mitglied des Haushalts, das auf der untersten Stufe der Rangleiter stand, der blonden Leibeigenen Ebba. Tagtäglich die Mühle zu drehen war ihr gesamter Lebenszweck.
    Ebba war nicht so verwegen zu glauben, sie könne je dieser Arbeit entrinnen. Hätte sie sich geweigert, eine ihrer täglichen Arbeiten zu verrichten, wäre ihre Herrin Hild so verblüfft gewesen, als hätte der Türpfosten gesprochen – und danach wäre sie furchtbar zornig geworden. Ebba hatte Angst vor Hilds Wutausbrüchen. Daher erduldete sie die tägliche Schinderei und bemühte sich, während der Arbeit an andere Dinge zu denken. Sie konzentrierte sich auf die Bilder in ihrem Kopf und bemühte sich, nicht darauf zu achten, was sie gerade tat, nicht das monotone Geräusch der Mahlsteine zu hören und die Schmerzen im Rücken nicht zu fühlen. Zuweilen erzählte sie sich Geschichten oder sang leise Lieder, doch meistens dachte sie an Elfling, da sie ohnehin eigentlich immer an ihn dachte. Gedanken an ihn tauchten in ihrem Kopf auch dann auf, wenn sie gerade beschlossen hatte, dass er ihr nichts mehr bedeutete. Sie liebte ihn. Beim Mahlen hatte sie ihn so oft angeschaut, dass sie seine Gestalt mit offenen Augen deutlich vor sich sehen konnte. Sie sah, wie der Schein des Feuers und die Schatten seine schönen Gesichtszüge betonten. Sie sah sein dichtes Haar, braun im Schatten, aber wie goldene Bronze leuchtend, wenn er vom Haus in den hellen Hof trat. Runde um Runde drehte sich der schwere Mühlstein, während Elfling vor ihrem inneren Auge dahinschritt und lächelte. Er war größer als alle anderen und breitschultrig, doch wenn er sich zur Seite drehte, glich er einem schlanken Jagdhund. Und sein Lächeln!
    »Schwachsinnige Träumerin!«, würde Hild sagen, die wusste, woran Ebba dachte. »Vergeudest deine Zeit mit sinnlosen Gedanken an ihn. Warum sollte er dich dürres, komisch aussehendes Ding mögen? Warum sollte überhaupt ein Mann dich begehren, wenn ich mir’s recht überlege. Kein Fleisch an dir, keine Rundung. Er würdigt dich nicht mal eines Blickes.«
    Aber da irrst du dich gewaltig , dachte Ebba und drehte mit aller Kraft am Mahlstein. Elfling hatte mehr getan, als sie nur anzuschauen – und das drei Mal! Einmal hatte er einfach ihre Hand ergriffen, als sie alle ums Feuer saßen, sie auf die Beine gezogen und auf den Hof geführt. Von dort aus waren sie in das kleine Haus gegangen, das er allein für sich gebaut hatte und wo er zuweilen allein aß und schlief. Aber nicht in jener Nacht! Beim zweiten Mal hatte er sie zu sich gerufen und ihr gewunken, als sie über den Hof ging, und sie war zu ihm gegangen. Beim dritten Mal hatte er einen der Knechte geschickt, um ihr auszurichten, sie solle in sein kleines Haus kommen. Sie war gerannt! Jedes Mal hatte sie gedacht: Jetzt wird er sagen, dass er mich liebt. Jetzt wird mein Glück beginnen. Er wird mich heiraten, und ich werde seine Frau sein und keine Leibeigene mehr. Dann müssten alle mich ganz anders behandeln als jetzt.
    Doch nichts von alledem war geschehen. Er hatte nicht gesagt, dass er sie liebte – er hatte überhaupt nicht viel mit ihr gesprochen. Er hatte ihr nicht wehgetan und war auch nicht unfreundlich zu ihr gewesen – aber freundlich auch nicht. Sie hatte ihn so sehr geliebt, war so begierig gewesen, ihm zu gefallen, dass es schmerzte – aber er hatte ihr nicht mehr und nicht weniger Beachtung geschenkt als zuvor. Sie war und blieb Ebba, die Magd, die das Mehl mahlte und all die schmutzigen und schweren Arbeiten verrichtete, zu der Hild keine Lust hatte. Gelegentlich lächelte er sie an, aber für gewöhnlich schritt er an ihr vorbei, als sähe er sie überhaupt nicht. Wochen und Monate waren vergangen, ehe er sich zum zweiten und zum dritten Mal an sie erinnerte. Es war besonders hart zu ertragen gewesen, weil sie genau wusste, wie tief sich ihre Hand in sein Haar vergraben konnte und wie dicht und weich es war. Sie wusste, wie samten die Haut auf seinem Rücken und seiner Brust war – doch nie konnte sie die Hand ausstrecken und sein Haar oder seine Haut berühren. Sie konnte sich nur danach verzehren, ihn zu berühren. Wenn sie die Tränen zurückhielt, schwoll ihr Hals an und schmerzte, doch sie konnte nicht weinen, sonst hätte Hild das bemerkt. Außerdem musste sich der Mahlstein ständig drehen.
    In Augenblicken klarer Einsicht war sie sich bewusst, dass sie unmöglich für Elfling irgendeine Bedeutung haben konnte. Er war frei geboren, und der Hof und
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