Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Land zu beiden Seiten in kränkliches Licht. Der Wind pfiff unter den Dachbalken des Bahnhofs, doch hier draußen brachte er ein seltsam monotones Summen hervor, das ihn an Pammy Andreesons Hüpfgesang erinnerte.
    Im Gehen horchte er darauf, ob hinter ihm ein Zug herankam. Er hörte keinen; was er hörte, als der Wind abflaute, war ein leises, aber klar vernehmliches Klick-klick-klick. Er drehte sich um und sah etwa zwanzig Schritte hinter sich auf dem gestrichelten Mittelstreifen der Route 26 einen Wolf. Er war fast so groß wie ein Kalb, das Fell zottig wie eine Russenmütze. Im schütteren Sternenlicht wirkte das Fell schwarz, die Augen glommen in dunklem Uringelb. Er sah, wie David sich umschaute, und blieb stehen. Sein Maul klappte zu einem Grinsen auf, und er fing an zu hecheln, ein Geräusch wie eine kleine Dampflok.
    Für Angst blieb keine Zeit. David tat einen Schritt auf ihn zu, klatschte in die Hände und rief: »Hau ab! Mach, dass du wegkommst!«
    Der Wolf machte kehrt und floh. Er hinterließ nur einen dampfenden Kothaufen auf der Route 26. David grinste, schaffte es aber, nicht laut herauszulachen; das hieße, die Götter herauszufordern, fand er. Er fühlte sich zugleich von Angst und absurder, vollkommener Ruhe erfüllt. Er dachte daran, seinen Namen von David Sanderson zu Wolf Bezwinger zu ändern. Der optimale Name für einen Investmentbanker.
    Dann lachte er doch ein bisschen – er konnte es sich nicht verkneifen – und wandte sich wieder in Richtung Crowheart Springs. Diesmal sah er sich im Gehen auch nach hinten über die Schulter um, nicht nur nach beiden Seiten, aber der Wolf kam nicht zurück. Was kam, war die Gewissheit, dass er den Pfiff des Sonderzugs hören würde, der die anderen abholen kam; der Teil ihres Zuges, der noch auf den Gleisen stand, würde mittlerweile vom Knotenpunkt geräumt worden sein, und bald würden die Leute, die im Bahnhof warteten, ihren Weg fortsetzen – die Palmers, die Landers, der hinkende Biggers, die hüpfende Pammy und all die Übrigen.
    Aber was machte das schon? Amtrak würde ihr Gepäck in San Francisco aufbewahren; bestimmt konnte man ihnen wenigstens das zutrauen. Er und Willa könnten den Überlandbus nehmen. Der Greyhound fuhr doch wohl auch durch Wyoming.
    Er stieß auf eine Budweiser-Dose und trat sie eine Weile vor sich her. Dann kickte er sie schräg ins Gestrüpp, und während er noch überlegte, ob er sie wieder rausholen sollte, hörte er schwach Musik: den Bass und das Klagen einer Pedal-Steel-Gitarre, das sich für ihn immer wie metallische Tränen anhörte. Sogar bei fröhlichen Songs.
    Sie war dort, wo diese Musik spielte. Nicht weil es das nächstgelegene Tanzlokal war, sondern die richtige Sorte. Das wusste er. Also ließ er die Bierdose liegen und ging dem Gitarrenklang nach; mit den Turnschuhen wirbelte er Staub auf, den der Wind davonwehte. Alsbald kamen auch Schlagzeuglaute dazu, und dann ein roter Neonpfeil unter einem Schild, auf dem nur 26 stand. Na ja, das war hier schließlich die Route 26, für einen Honky-Tonk-Schuppen also ein völlig logischer Name.
    Das Lokal hatte zwei Parkplätze. Der vordere, gepflasterte war vollgestellt mit Pick-ups und Pkws, meist amerikanische Marken und mindestens fünf Jahre alt. Der Parkplatz zur Linken war gekiest. Hier standen Reihen von Lastwagen unter bläulich gleißenden Bogenlampen. Inzwischen konnte David auch die Rhythmus- und Leadgitarren heraushören und das auf der Marquise über der Tür Geschriebene lesen: NUR HEUTE ABEND THE DERAILERS 5$ KOSTENBEITRAG SORRY.
    The Derailers: die Entgleiser. Na, da hatte sie ja genau die richtige Band gefunden.
    David hatte einen Fünfdollarschein in der Brieftasche, aber der Vorraum des Lokals war leer. Der große Tanzboden dahinter war voller schwofender Paare. Die meisten trugen Jeans und Cowboystiefel und hielten sich gegenseitig am Hintern umklammert, während die Band sich mit »Wasted Days and Wasted Nights« ins Zeug legte. Es war laut, weinerlich und – soweit David Sanderson das beurteilen konnte – Note für Note perfekt gespielt. Der Dunst aus Bier, Schweiß, penetrantem Rasierwasser und billigem Parfüm traf ihn wie ein Faustschlag auf die Nase. Das Gelächter und das Stimmengewirr – sogar ein enthemmter Jodler von der anderen Seite der Tanzfläche – waren wie Geräusche in einem Traum, den man immer wieder in kritischen Momenten seines Lebens träumte: der Traum, unvorbereitet im Examen zu hocken, der Traum, nackt in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher