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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
Autoren: Eve Rudschies
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Ähnlichkeit gab? Falls jetzt für sie die Zeit der Prüfung angebrochen wäre? Sie spürte Böses, Unbekanntes um sich herum. Woher kam es? Von dem Toten in der Küche, der Sabina so viel Kummer bereitete? Von Johann Albrecht, der neben ihr kniete und ihren Blick schon lange suchte, ohne dass sie ihn erwiderte? Was, falls er gelogen hatte? Sie blickte ihn endlich an, fand ihn genauso liebevoll und tröstlich wie sonst, zweifelte dennoch weiter. Sie betete noch inniger zu Katharina und Barbara, diesmal aber nicht zu den sonnigen Figuren auf der Empore, sondern zu ihnen als zwei der Vierzehnheiligen, der mächtigen Nothelfer. »Steht mir bei, was immer kommen mag!« Das wiederholte sie noch in ihrem Kopf, als alle die Kapelle verließen und in den Palas zurückkehrten.
    Das Arbeitszimmer des Herzogs, in dem sie Weißenfelder wiederfanden, war ein angenehmer Raum mit Wandtäfelung, breiten Scherensesseln und einem prächtigen, zweigeschossigen Kachelofen. Seine grünglasierten, wie kostbares Brokat gemusterten Kacheln waren ein stolzes Zeugnis der Landshuter Hafnerkunst. Alle rückten unwillkürlich zu diesem Ofen, weil es dort deutlich wärmer war als in der Kapelle. Ludwig nahm zärtlich die rechte Hand Sabinas zwischen seine. Er zeigte sich gelassen.
    »So, liebste Schwester, Ihr hegt dunkle Gedanken nach dem Unfall des Boten Eures Sohnes. Befreit Euch doch davon!«
    »Unfall? Ihr nennt es einen Unfall?« Wie von einer Schlange gebissen fuhr Sabina hoch. »Ein niederträchtiges Verbrechen war das. Wir werden bald die Folgen zu spüren bekommen.«
    Ludwigs Geduld war begrenzt. Seine Beine schmerzten. Wie so oft in letzter Zeit verspürte er gleichzeitig großen Durst und den Drang, Wasser zu lassen, was ihn abermals zum Aufstehen zwang. Anna Lucretia rief nach dem Kammerdiener. Danach kam Ludwig mühselig zurück.
    »Ihr wittert überall Verbrechen in letzter Zeit. Findet Ihr das nicht übertrieben? Ihr lebt nicht mehr bei Eurem Gatten in Stuttgart, sondern an meinem Hof.«
    »Wo ich mich bisher sicher fühlte, Bruder. Jetzt zweifle ich. Verbrechen wittere ich nicht, ich sehe sie, wo sie sind und ich leugne sie nicht. Der Bote meines Sohnes hat entweder einen Unfall gehabt oder er ist hingemeuchelt worden. Es gibt wohl keine dritte Möglichkeit, oder? Doch in beiden Fällen ist der Brief meines Sohnes verschwunden. Entweder hat man den Boten getötet, um an den Brief zu kommen, oder man hat ihm den Brief gestohlen – vor oder nach seiner Ankunft auf der Trausnitz. Das bedeutet, dass Ulrich von Württemberg, dieser Teufel in Menschengestalt, mich hier, an Eurem Hof, lieber Bruder, beobachtet und mir droht.«
    Ludwig war sprachlos. Ihm fiel nichts ein. Hilflos sah er zu seinem Berater Weißenfelder, der aber gleichfalls stumm blieb. Sabinas Verstand war messerscharf; sie war von unbestechlichem Wesen. Sie erinnerte ihn schon immer an ihre gemeinsame verstorbene Mutter, die Herzogin Kunigunde. Ihr verdankte er weit mehr als nur sein Leben. Als sein Vater, Herzog Albrecht, gegen das Wittelsbacher Nachfolgegesetz verstieß und seinen ältesten Sohn Wilhelm als alleinigen Erben einsetzte, rebellierte Kunigunde. Die stolze Habsburgerin liebte ihren Mann, den sie ohne Zustimmung ihres Vaters geheiratet hatte. Doch sie begehrte auf. In ganz Bayern ließ sie proklamieren, sie, die Kaisertochter und herzogliche Gemahlin, hätte weder Bastarde noch gemeine Grafen geboren, sondern Fürsten. Ludwig nahm den Kampf auf gegen den inzwischen alleinregierenden Wilhelm. Kunigunde brachte Volk und Bürger auf die Seite des jüngeren Sohnes. Wilhelm musste aufgeben. Der doppelte Hof und die gemeinsame Regierung funktionierten danach besser als erwartet. Bayern blühte unter den Ländern des Reiches.
    Wie die Mutter, so die Tochter: Sabina, obwohl nicht verwitwet, trug die Witwenhaube mit dem langen Wickeltuch ums Kinn. »Der Mann, den ich geheiratet habe, existiert nicht mehr. Mit einem Anhänger Luthers habe ich nichts gemein.« So beantwortete sie die häufige Frage nach ihrer schwarz-weißen Tracht. Die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter Kunigunde gefiel ihr, das wusste Ludwig. Ihm auch … meistens. In diesem Moment aber ganz und gar nicht. In Ulrichs Schatten sah Sabina Teufel.
    »Meine Schwester, Ihr mögt recht haben, falls dieser Brief existiert. Ich muss sagen, daran habe ich meine Zweifel.«
    »Ihr habt doch den Wachmann gehört.«
    »Wie Ihr selbst bemerktet, Herzogin, ist der Wachmann ein Esel«, meinte Weißenfelder scharfsinnig.
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