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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid
Autoren: Friedrich Ani
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falsch, das zu tun, aber ich hab mich entschlossen, also mach ichs jetzt auch …«
    »Ja, ja …«, sagte er. »Ich hab gleich gewusst, dass du die Eva bist, ich hab immer gewusst, dass wir uns wieder treffen, das war für mich immer klar und eindeutig, da in dem Café, da haben wir uns auch getroffen, du bist direkt drauf zugekommen, ich hab dich von weitem gesehen, kenn doch deinen Gang, der ändert sich nicht, bei niemand ändert sich der Gang, den kannst du nämlich nicht kontrollieren, das ist dir gegeben wie das Denken, das Denken auch, du glaubst nur, du hast eigene Gedanken, aber die sind schon in dir, du rufst sie nur ab …«
    »Johann!«, rief deine Mutter ins Telefon. »Hör mir einen Moment zu! Hör mir zu!«
    Er verstummte.
    »Können wir uns treffen? Bald, von mir aus in …«
    »Können wir gut«, sagte er in ihren Satz hinein. »Es gibt neue Cafés hier, kann man gut sitzen, oder wir gehen in den ›Kurfürst‹, da ist wenig los, aber ich bin da oft, da ist es hell, du weißt ja, ich mags, wenns hell ist, ich kann da besser Skizzen machen. In den meisten Kneipen …«
    »Können wir uns im ›Atzinger‹ treffen?«, sagte deine Mutter.
    »Im ›Atzinger‹? War ich lang nicht mehr da, gute Wirtschaft, denen hab ich mal ein Bild verkauft, die haben das an die Wand gehängt, das hängt da noch, die kaufen schon mal was …«
    Dann fiel ihr ein, dass man deinen Vater aus diesem Lokal rausgeworfen hatte. Vor zwanzig Jahren!, dachte sie .
    Dieses Hausverbot ist verjährt. Und in eine andere Gaststätte wollte sie nicht, sie hatte ihre Gründe .
    »Wann denn?«, fragte Johann. »Ich arbeite tagsüber, das ist schlecht, da hab ich keine Zeit, ich hab einen Job, ich krieg da Holz geschenkt, gute Bretter, die ich gut gebrauchen kann …«
    »Heute noch«, sagte deine Mutter .
    »Heut ist gut, sehr gut, ich wollt sowieso gleich raus, ich komm da hin, ich bin gleich da, überhaupt kein Problem …«
    »Ich brauch ungefähr eine Stunde«, sagte deine Mutter .
    »Kein Problem, ich wart da, ich bestell schon was, ich wart da, ich nehm meinen Block mit, ich kenn da auch noch die Leute, kein Problem …«
    Nachdem sie den Hörer aufgelegt und eine Zeit lang im unbeleuchteten Flur neben dem schwarzen altmodischen Apparat gestanden hatte, versank sie in Zweifeln. Was wollte sie mit diesem Treffen erreichen? Wozu sollte dieser Mann erfahren, dass er eine erwachsene Tochter hatte? Sie erwartete weder Verständnis noch Geld von ihm, weder nachträgliche Vergebung für ihre Entscheidung von damals noch Begeisterung. Und worüber sollte er auch begeistert sein? Dass er Vater war? Und seine Tochter sogar kannte? Möglicherweise sogar mit ihr befreundet war?
    Und beim Gedanken daran erfasste sie eine solche Panik, dass sie erst eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank holte und sie zur Hälfte austrank, bevor sie weiter über das nachdachte, was ihr bevorstand und was sie selbst angezettelt hatte.
    Warum hatte sie ihrer Tochter bloß von Johann Farak erzählt? Nach neunzehn Jahren! Warum war sie nicht bei ihrer alten Version geblieben: Der Mann, mit dem sie damals ein Verhältnis gehabt hatte, sei ins Ausland gegangen und nie wieder aufgetaucht. Hatte sie eben ein uneheliches Kind. Das war keine Schande. Außerdem hatte sie immer gehofft, sie würde eines Tages einen anderen Mann heiraten, der die Vaterrolle übernehmen könnte. Dass es dann nicht so gekommen ist, kümmerte sie nicht, nicht mehr jedenfalls. Die Männer, die sie kennen gelernt hatte, mochten das kleine Mädchen, machten ihm Geschenke und gingen mit ihm in den Tierpark. Aber heiraten und eine Familie gründen wollten sie nicht, ihre Unabhängigkeit war ihnen wichtiger. Und wenn sie ehrlich war, ihr ging es genauso. Besser selbstständig mit einem unehelichen Kind als ein Leben mit einem Ehemann, der einen in eine Enge drängt, in der man auf die Dauer erstickt.
    Sie schaffte es auch so, sie hatte eine feste Anstellung, sie betreute die neuen Studenten im Institut, mit dem Geld konnte sie sich und ihre Tochter ernähren. Sie lebten in einer kleinen, preiswerten Zweizimmerwohnung, und nach den ersten zwei bis drei Jahren, in denen sie sich manchmal nach männlicher Unterstützung gesehnt hatte, bereute sie nichts mehr. Die Entscheidung, sagte sie sich, war richtig gewesen, und wenn sie ihre Tochter beobachtete, hatte sie nicht den Eindruck, das Fehlen eines Vaters schade ihrer Entwicklung oder ihrem Gemüt .
    Und jedes Mal, wenn die junge Liane entsprechende
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