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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid
Autoren: Friedrich Ani
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gequatscht, ständig. Wie ein Depp. Er hat jeden angelabert, den er getroffen hat, jeden, hier im Haus, draußen auf der Straße, im Café. Hier in der Gegend ist er ja inzwischen aus allen Kneipen rausgeflogen, die haben das nicht mehr ausgehalten, dieses Gequatsche, der war irre, bei dem haben die vergessen, einen Knopf abzustellen. Kein Wunder, dass er dauernd Ärger gekriegt hat, er ist verprügelt worden, nicht nur einmal. Aber dann hat er weitergelabert, wie eine Sprechmaschine. Unglaublich. Gott sei Dank ist er weg!«
    »Seit wann?«
    »Seit wann, Bilka?«
    Sie stand an der Tür, die Hände in den Taschen ihrer weißen Schürze.
    »Seit einem Monat«, sagte sie. »Nein, länger! Ich glaub, ich hab ihn seit Ende September nicht mehr gesehen. Ist denn was passiert mit ihm?«
    »Er wird vermisst«, sagte ich.
    »Von wem?«, sagte Kellerer. Schon der Zweite, der so fragte.
    Und ich sagte wieder: »Von seiner Schwester.«
    Und zum zweiten Mal erhielt ich die Antwort: »Der hat eine Schwester?«
    »Ja.«
    »Haben wir gar nicht gewusst«, sagte Bilka Kellerer .
    »Er war Alkoholiker«, sagte Kellerer und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, der sich in die geschmeidige Masse seines Bauches bohrte. »Das hast du einen Kilometer gegen den Wind gerochen, ich hätt gern mal gewusst, von was der seine Miete bezahlt hat. Arbeitslosengeld hat der bestimmt keins gekriegt.« Unter Mühen drehte er seinen Körper zur Seite und sah mich an. »Eine Zeit lang hatte er eine Freundin, die hat sich dann aus dem Staub gemacht.«
    »Ja, eine Lehrerin«, sagte Bilka .
    »Wissen Sie ihren Namen?«, fragte ich .
    »Nein«, sagte Kellerer. Seine Frau schwieg. »Der Kerl war eine Plage, ein Nichtsnutz, er hat nicht gearbeitet, er hat sich aushalten lassen, die Frau hat ihn ausgehalten, sie ist gekommen, hat sauber gemacht und alles …«
    »Das weiß man nicht«, sagte Bilka .
    »So wars«, sagte Kellerer. »Der Kerl hat jahrelang in diesem Haus gewohnt, aber dass er irgendwann mal was getan hätt, hab ich nicht gesehen.«
    »Er hat gemalt«, sagte ich.
    »Ja!«, sagte Kellerer laut, hielt inne, verzog das Gesicht und stöhnte. »Verdammtes Kreuz … Gemalt! Haben Sie mal gesehen, was der gemalt hat? Ich habs gesehen, er hat versucht, das Zeug auf der Straße zu verkaufen, ich habs mir angesehen. Das hätt unser Hund besser gekonnt, das schwör ich Ihnen, unser Hund hatte mehr Talent als der.«
    »Können Sie sich erinnern, wann Sie Johann Farak das letzte Mal gesehen haben?«
    »Hat meine Frau doch gesagt, Ende September, ich war da in der Klinik.«
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«, fragte ich ihn .
    Er schüttelte den Kopf. Dann, während er eine neue Zigarette aus der Packung fingerte und anzündete, sagte er: »Interessiert mich nicht, der Kerl. Wir sind froh, dass er weg ist. Das sind Sozialschmarotzer, verstehen Sie, was ich meine, wir finanzieren die und das wissen die, das wissen die und die nutzen das aus und wir sind gezwungen, die zu unterstützen, und das ärgert mich, ich muss auch schauen, wie ich uns durchbring. Meine Frau war Friseuse und dann hat sie eine Allergie gekriegt von einem Tag auf den andern und jetzt kann sie nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, und das zahlt ihr kein Mensch …«
    »Dafür ist der Kommissar nicht zuständig«, sagte Bilka Kellerer.
    »Und die Lehrerin«, sagte ich, »war die oft im Haus?«
    »Schon lang nicht mehr«, erwiderte Bilka .
    Weil sie nichts weiter sagte, sah ich sie an, und sie senkte den Kopf.
    »Wenn Sie ihn finden«, sagte Kellerer, »sagen Sie ihm, ich krieg noch fünfzig Euro von ihm.«
    »Hast du ihm Geld geliehen?«, fragte Bilka. Sie war so überrascht, dass sie einen Schritt ins Zimmer hinein machte. Vielleicht war dieser Raum ansonsten eine Art Schutzzone für ihren bandscheibengeschädigten Mann.
    »Ja und?« Mit einer eckigen Bewegung wuchtete er sich auf den Rücken und legte die Beine übereinander .
    »Das hast du mir gar nicht erzählt!«, sagte Bilka. Von Kellerer ging ein eindeutiges Schweigen aus .
    Ich verabschiedete mich. An der Wohnungstür griff Bilka nach meinem Arm.
    »Ich weiß, wie die Frau heißt«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. »Die Lehrerin. Andrea Langer. Aber wo die wohnt, das weiß ich nicht. Sie ist auf einer Realschule, ich hab mich mal mit ihr unterhalten, sie hat gesagt, sie hält das nicht mehr aus mit dem Johann. Sie war sogar bei einem Arzt mit ihm, bei einem Psychologen, aber Johann hat sich nicht behandeln lassen, hat sie
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