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Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Titel: Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs
Autoren: Andreas Altmann
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grandiosen Leitfaden für all jene, die begabt dem Glück aus dem Weg gehen. Nun, Paul hat ein Kapitel vergessen, hier kommt es: Wer weiterhin auf sein Pech bestehen will, der lasse sich von DHL etwas zuschicken. Ich gehöre zu den Langsamen im Kopf, ich habe mich – als Kunde, der vergeblich wartet – zehn Jahre von dem Unternehmen foltern lassen. Erst im elften Jahr, erst dann, wachte ich auf. Hier die Story:
    Ich vergaß auf einem Flughafen meinen Laptop, liegengelassen nach der Röntgenkontrolle. Als ich in Paris ankam, merkte ich den Verlust, rief den Flughafen an, ja, der Mac befindet sich im Fundbüro. Ich kontaktierte eine Freundin, bat sie, das Teil abzuholen und mir per Schnellkurier nachzuschicken. Ich warnte sie zu spät, somit ging der Computer per DHL nach Frankreich. Für achtzig (!) Euro wurde die Lieferung für den nächsten Tag versprochen.
    Am dritten Tag und nach mehreren telefonischen Reklamationen machte ich mich auf dem Weg ans andere Ende von Paris, zum Hauptlager von DHL . Gemeinsam mit einem Angestellten suchte ich eine Stunde nach dem Paket. Man muss den Laden gesehen haben, um zu begreifen, warum die Firma den miserablen Ruf verdient, der an ihr klebt. Wir fanden das Gerät schließlich, ich registrierte, dass es lediglich in einer Plastiktüte (!) verpackt war, schaltete es ein, kein Bild, kein Ton, dafür Dellen an zwei Ecken, alles klar, alles kaputt, irgendein DHL -Depp hatte es fallen lassen oder als Wagenheber für die letzte Reifenpanne benutzt.
    Folge: Einen Mac-Spezialisten in meine Wohnung kommen lassen, um die Daten zu retten und ein Gutachten des Schadens (»unreparierbar«) einzuholen, ein neues Gerät kaufen, alles neu installieren, fünf Tage Arbeitsausfall, dazwischen insgesamt siebenundzwanzig Anrufe bei DHL , die immerhin nach dem achtundzwanzigsten Mal reagierten und einen eigenen Gutachter vorbeischickten, um den Totalschaden amtlich zu bestätigen. Es folgten nochmals dreizehn Anrufe und fünf Wochen, bis das Geld auf meinem Konto lag. Ziemlich genau die Hälfte meiner Ausgaben. Und kein halbes Wort der Entschuldigung.
    Als ich am sechsten Tag wieder am Schreibtisch saß, kam plötzlich eine Erinnerung zurück. Vor Jahren hatte ich eine DHL -Werbung auf CNN gesehen. Absurd witzig, ich hockte in einem Hotelzimmer mit dem einzig verfügbaren Fernsehkanal und wartete auf meinen Pass (mit einem beantragten Visum), unterwegs mit DHL . Natürlich kam er nicht rechtzeitig. Heute weiß ich’s, so sieht der sechste oder siebte Kreis der Hölle aus: immer auf DHL warten und dabei immer auf die bellenden Nachrichten-Weiber von CNN glotzen müssen.

    NICHTS FÜR GUTMENSCHEN
    Wer Afrika betritt, sollte Angst haben. Vor sich. Denn er wird drei verwirrende Seelenzustände kennenlernen. Der erste: Der Neuling tritt als Gutmensch auf. Jeden Schwarzen, dem er über den Weg läuft, erklärt er für heilig, für herrlich, für schuldlos, für herzensrein, für strahlend intelligent, für ausgebeutet, sieht nichts als das Opfertier in ihm. Eine Zeitlang wird der Gutmensch als Empörer über den Kontinent reisen. Mit Inbrunst wird er von dort aus auf den schrecklichen weißen Mann anlegen, ihn mit dem ranzigen Pfaffenton des Dritte-Welt-Betroffenen heimsuchen und ihn für jeden Abszess, jeden Schmerzensschrei, jede verhungernde Ratte verantwortlich machen.
    Eine Zeitlang hält die Maske. Bis der Gutmensch in verlausten Betten schläft, sich mit Typhus-Verdacht und elendem Bauchgrimmen in ein »Krankenhaus« mit unbetretbaren Toiletten schleppt, bis er schweißgebadet in eine Kalaschnikow vor seinem linken Nasenloch blickt, bis er – so wenig reicht schon – miterleben muss, wie zweimal ein Bus nicht haarscharf zur rechten Stunde losfährt. Ein achtsamer Gutmensch wird nach solchen Erfahrungen eine Metamorphose an sich beobachten. Die Maske blättert und die nächste, die des Renegaten, tritt an ihre Stelle.
    Jetzt sollte jeder Afrikaner in Deckung gehen. Jetzt sieht unser Ex-Menschenfreund nur noch Bimbos daherkommen, die es von eins bis zehn nicht ohne intensiveres Nachdenken schaffen, nur noch Hinterhältige, nur noch zweibeinige Faultiere, die träge verfaulen und – auf Kosten des fleißigen weißen Mannes – schmarotzen. Fazit: Je pompöser der Schwarze zuvor in den Adelsstand gehoben wurde, umso rasanter nun sein Fall in die Tiefen ätzender Verachtung. Die Würde des Menschen ist antastbar. Aber wie.
    Letzte Stufe, die schwierigste. Der Gutmensch wird ein Zeitgenosse –
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