Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition)
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
den nächsten Satz hinzufügte. »Ich glaube, es sind Götter.«
    »Götter?« Cassie versuchte zu lachen, doch es kam nur ein Schnauben heraus. Sie kam sich allmählich vor wie ein Papagei.
    »Hast du nie vom Olymp gehört?«
    »Ich habe doch keine Erinnerung, hast du das schon vergessen? Dein Gedächtnis muss noch schlechter sein als meines«, gab sie patzig zurück. Sie konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, ihn von sich weg zu stoßen.
    »Du weißt trotzdem darüber Bescheid«, stellte er fest, als ob es sich dabei um eine Tatsache handelte.
    Und er hatte Recht.
    Wenn Cassie an das Wort »Olymp« dachte, tauchten sofort allerlei Bilder vor ihrem inneren Auge auf. Bilder von Menschen – oder etwas, das aussah wie Menschen. Etwas, das irgendwie größer und fremdartiger, und gleichzeitig seltsam vertraut war.
    »Die alten Götter sind zurückgekehrt und haben beschlossen, die Welt wieder an sich zu nehmen?«, murmelte sie. »Klingt wie in einem schlechten Film.«
    »Wir haben beide nie einen Film gesehen«, entgegnete Navin.
    »Ist mir egal.«
    Cassie wurde auf einmal klar, was es bedeutete, wenn Navin Recht behielt. Wenn die »Anderen« Götter waren. Wenn diese Götter sie und Navin hierher gebracht hatten, um eine Aufgabe zu erledigen. Wenn sie Erinnerungen an den Olymp hatte, aber keine Ahnung, wie ein Kino von innen aussah.
    »Ich gehöre nicht zu denen«, fauchte sie und versuchte dieses Mal wirklich, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Doch Navins Arme hielten sie fest und ließen sie nicht entkommen. »Ich bin nicht anders , bin kein Gott. Und vor allem bin ich kein verdammter Totenfluss«, knurrte sie. Sie überlegte, ob sie ihn beißen sollte, aber vermutlich hätte ihm das nicht besonders viel ausgemacht. Außerdem war es nicht schön, jemanden zu beißen, mit dem man schon so lange zusammen arbeitete.
    »Ich helfe niemandem dabei, kleine Kinder umzubringen.«
    »Das musst du auch nicht.«
    Warum war seine Stimme noch so ruhig? Wie konnte er so gelassen sein? Sah er denn nicht, was hier passierte? Erkannte er nicht, dass sie alle ein Spielball der Anderen, der Götter – oder was auch immer sie sein mochten – waren?
    »Du musst niemanden umbringen. Du musst nur die Sterbenden und Toten zusammenhalten. Zu mir bringen. Du erleichterst ihnen ihren Weg. Sie sterben ohnehin. Aber ohne dich ... und ohne mich ... werden sie immer hier gefangen sein.«
    Endlich ließ er sie los und machte eine weite Handbewegung um die ganze Umgebung zu erfassen.
    Cassie entdeckte zu ihrer Überraschung, dass es hell geworden war. In der kurzen Zeit, in der sie hier am Ufer gestanden und geredet hatten, war eine blasse Sonne aufgegangen und trieb nun zwischen Wolkenschleiern am Himmel. In ihrem fahlen Licht strömte der braune Fluss dahin und trug Kadaver von Mäusen und Vögeln vorbei.
    »Ist das die Welt, in der die Kinder leben sollen?«, fragte Navin.
    »Es ist die Welt, die sie kennen«, knurrte Cassie. »Ich sehe nicht ein, dass sie hier nicht bleiben können. Sie haben nichts getan, was den Tod verdient hat. Ich habe genug von dieser ganzen Arbeit. Ich will nicht mehr die Toten hinübertragen in ihr Reich. Jedes Mal fragen sie sich, wie es dort drüben aussieht. Und ich kann ihnen keine Antwort geben. Ich kann ihre Ängste spüren, wenn sie ins Wasser starren, wenn sie überlegen, ob sie vielleicht besser dran wären, wenn sie über die Reling springen und sich treiben lassen. Sie fragen sich, wohin das Wasser sie bringen wird, wenn sie sich treiben lassen. Ob der Fluss der Unterwelt nicht irgendwie verbunden ist mit ihrem eigenen Bach oder Flüsschen vor der Haustür. Ob sie nicht auf diesem Weg zurückkehren können. Ob es jemanden gibt, der ihnen folgen und sie befreien wird, wie dieser dumme Junge Orpheus damals. Aber er ist der Einzige geblieben. Und die anderen ... die anderen wollen nicht sterben. Sie wollen nicht alleine sein, nicht irgendwohin gebracht werden, an einen Ort, der ihnen nicht vertraut ist, ganz alleine.«
    Jetzt strömten die Tränen über ihre Wangen. Plötzlich waren die Erinnerungen wieder da, aber nicht jene, die sie sich gewünscht hätte. Da gab es keine fürsorgliche Familie, kein Leben unter den Menschen, niemanden, der sie morgens weckte und zur Schule schickte. Da gab es nur die dunklen Höhlen und feuchten Kavernen der Unterwelt und ein einsames Dasein, allein in Gesellschaft eines ebenso frustrierten Fährmanns.
    Sie hatte keine Ahnung, wo diese Erinnerungen auf einmal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher