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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
Autoren: Elisabeth Büchle
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abzuschnüren drohte. Anschließend öffnete er den obersten Hemdknopf.
    Lag es an seinen düsteren Überlegungen um die sich zuspitzenden Verhältnisse zwischen den Ländern, dass ihm auf einmal so heiß wurde, oder trieb der Nachtwind die Hitze des vergangenen Tages durch die Terrassentüren herein?
    Philippe, der schon vor Jahren einen Krieg befürchtet hatte und für seine Schwarzmalerei verlacht worden war, da ein Konflikt nach dem anderen friedlich, jedoch niemals endgültig beigelegt werden konnte, verspürte keinen Triumph darüber, dass er damals wohl richtig gelegen hatte. Wie viele Bürger in den betroffenen Ländern hoffte auch er auf ein Einlenken der Parteien. Immerhin hatte er sich nach seinem Einsatz im Herero- und Namakrieg 3 in Deutsch-Südwestafrika geschworen, sich fortan von Kriegen fernzuhalten. Dennoch überrollten die Ereignisse der letzten Julitage auch ihn.
    Erschüttert fuhr Philippe sich mit der Hand über sein frisch rasiertes Kinn. Ob es noch ein Halten gab? Wie standen die Chancen, dass der losgetretenen Lawine noch Einhalt geboten wurde, ohne dass sie Tausende oder Hunderttausende Opfer mit sich riss?
    Die Stimmen der diskutierenden Männer in seinem Rücken nahmen an Lautstärke zu und drängten mit Vehemenz in seine Überlegungen. »Nein, Deutschland rechnete nach dem Attentat nicht sofort mit einem Krieg, meine Herren. Der Kaiser brach weder seine Schiffsreise ab, noch beendeten seine Berater und Minister ihren Urlaub.«
    Verwundert über die in diesem Kreise erstaunlich beschwichtigenden Worte drehte Philippe den Kopf und betrachtete den wohlgenährten Sprecher in der stramm sitzenden Offiziersuniform. Für einen gebürtigen Franzosen klang seine Aussprache eine Spur zu hart. Ein Zeichen dafür, dass in seiner Ahnenreihe deutsches Blut floss? Der Offizier fuhr fort: »Deshalb genügt es momentan, wenn wir den Grenzschutz zum Deutschen Kaiserreich hin verstärken.«
    Philippe verharrte weiterhin im Hintergrund, wenngleich er aufmerksam zuhörte. Ein anderer Uniformierter plusterte die Wangen auf, wobei sein Schnauzbart eigentümliche Bewegungen vollführte. »Die k.u. k. 4 Truppen werden aufgeboten. Und die Deutschen sprechen nach der russischen Gesamtmobilmachung von einem Zustand drohender Kriegsgefahr. Für mich heißt das, dass Kaiser Wilhelm, allen voran aber sein Militär, sprich Moltke, binnen achtundvierzig Stunden ebenfalls seine Truppen mobilisieren wird, zumal sie gestern den Russen eine deutliche Warnung zukommen ließen. London wartet noch immer ab. Allerdings hält die englische Regierung nach ihrem in Kriegsstärke abgehaltenen Manöver die Kriegsschiffe zusammen. Ich sehe darin eine Mobilisierung ihrer Flotte.«
    »Außenminister Grey befindet sich im Austausch mit dem deutschen Botschafter. Er bemüht sich um Schadensbegrenzung, und Kaiser Wilhelm und Zar Nikolaj stehen ebenfalls in Kontakt«, wusste ein jüngerer Mann in Zivil. Sein Einwand verleitete einige der Diskussionsteilnehmer zu einem knappen Nicken. Ob die hier vertretenen Militärs den Abbruch aller Gespräche bevorzugen würden? In Berlin ging es wohl nicht anders zu. Die deutsche Armeeführung, ohnehin mit extrem viel Macht ausgestattet, strebte schon länger einer kriegerischen Auseinandersetzung entgegen.
    Als die lauten Worte eines Leutnants Phillipe aufschreckten, kniff er unwillig ein Auge zu. »Kaiser Wilhelm hat sich Roms Treueschwur eingeholt und Kontakt mit Griechenland und Rumänien aufgenommen! Friedliche Absichten sehe ich darin nicht.«
    »Unser Problem ist doch im Moment vielmehr, ob wir in diesen Krisenzeiten die Spaltung in ein republikanisches antiklerikales und ein konservatives klerikales Frankreich aufhalten können. Sonst gilt es am Ende nicht nur einen außenpolitischen, sondern auch einen innerpolitischen Krieg auszutragen«, wendete der französische Präsident ein und strich sich mit der Rechten über seinen leicht struppigen Schnurrbart bis hinab zu dem spitz zulaufenden Kinnbart. Er wirkte äußerlich gelassen, dennoch glaubte Philippe, Nervosität aus seiner Stimme herauszuhören, zumal seine Gestik diesen Eindruck unterstrich.
    Die Frauen in Philippes Nähe lachten, was ihn zu ihnen hinüberblicken ließ. Nun stand die ihm vertraut vorkommende Dame frontal zu ihm. Schwarze Haare, kunstvoll mit perlenverzierten Kämmen aufgesteckt, umrahmten ein rundliches Gesicht mit wachen, blauen Augen und einer etwas vorwitzig aussehenden Nase. Ein kleiner Mund, hinter dem sich, wenn sie
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