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Sturmkaempfer

Sturmkaempfer

Titel: Sturmkaempfer
Autoren: Tom Lloyd
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Straße.
    Isak sprang mühelos über die Kante und auf den staubigen Boden. Erst als er an verschiedenen ähnlichen Wagen vorbeilief und dabei die Blicke der Bewohner ignorierte, erkannte er, dass die Geschwindigkeit des Wagenzuges erhöht worden war. Sie lagen zwei Wochen zurück. Offenbar zog es der Zugführer vor, die Pferde für seine eigene versoffene Dummheit zu bestrafen.
    Ein lang vertrockneter Flusslauf schnitt eine gewaltige Spur durch das Land und hatte seinerzeit im Umkreis von mehreren Meilen Leben gespendet. Aber das war in einem anderen Zeitalter gewesen. Jetzt verbrannte die Sommerhitze alles zum gleichen staubigen Braun und man musste sich sehr anstrengen, um die verborgene Schönheit des Ortes zu erkennen: die fremdartigen nächtlichen Wesen, die duftenden Moose unter Steinen, die getarnten Pflanzen, die unter ihrem Schutz bunte Farben verbargen. Isaks Vater sah nur den ausgetrockneten Flusslauf, durch den sie fuhren. Es war zu anstrengend, sein verletztes Bein auf den Kutschbock zu hieven, darum starrte er auf den Horizont und nahm nur die beiden Berge im Süden wahr.
    Isak rannte zu einem der führenden Wagen und sprang mit der Sorglosigkeit, die aus großer Vertrautheit erwächst, auf den Kutschbock. Wie auch Isak unterschied sich der Lenker vom Rest dieser inzestuösen Gemeinschaft. Carel nahm Isaks Ankunft mit einem matten Lächeln zur Kenntnis, sagte aber nichts. Das faltige Gesicht täuschte über seine Stärke und sein wahres Alter hinweg – Carel war zwar fast so alt wie Isaks Vater, doch wo die Boshaftigkeit den einen vor der Zeit hatte altern lassen, trug der andere die Zeichen der Erfahrung.
    Sein dunkles Haar, durch das sich zahlreiche graue Strähnen zogen, war lang, dreifach geflochten und mit Kupferdraht zurückgebunden,
was der Welt verriet, dass er ein Söldner war. Aber die weißen Verzierungen an seinem Kragen und das weiße Leder, eingeflochten in die Zöpfe, erhoben ihn über ein einfaches Schwert, das man anheuern konnte. Carel – Sergeant Betyn Carelfolden – war ein Geist, eine Legende in ihrer kleinen Gruppe. Er war einige Sommer nach Isaks Geburt aus den Diensten der Palastgarde von Lord Bahl, dem Lord der Farlan, ausgetreten. Den Zugehörigen dieses Eliteregiments war eine Stellung in der Gesellschaft sicher, die man nicht mit Geld erkaufen konnte. Jedermann respektierte die Geister von Tirah.
    »Horman hat mal wieder keine gute Laune heute, hm? Hier, übernimm die Zügel, ich könnt mal eine Pause vertragen.«
    Isak nahm die Zügel aus Carels Hand und sah dem Mann zu, wie er sich streckte und dann nach seiner Pfeife tastete. Das Pferd verhöhnte den neuen Wagenlenker unbeeindruckt mit einem Schnauben.
    Carel war der Einzige im ganzen Wagenzug, der Isak von Gleich zu Gleich behandelte. Da seine Eltern Diener in einem Anwesen der Lordprotektoren gewesen waren – und auch durch die langen, harten Jahre als Soldat –, hatte der Söldner gelernt, sich nicht von Äußerlichkeiten blenden zu lassen, wofür ihm Isak stets dankbar war.
    »Er ist nie guter Laune«, grummelte Isak. »Gestern hat er mir ein Messer in die Hand gerammt, nur weil ich Mutters grünen Ring berührte.« Er hielt seine Hand hoch, um die bösartige, dunkelrot verschorfte Wunde vorzuzeigen.
    »Nun, dann hast du es verdient.« Carel würde wegen seiner Zuneigung für den Jungen nicht verhindern wollen, dass er eine Lehre erhielt. »Du weißt ganz genau, was ihm dieser Ring bedeutet. Lass einfach die Finger von ihren Sachen. Das ist alles, was er noch hat. Wenigstens heilt es bei dir schneller als bei uns anderen. Sei dankbar dafür.«

    »Er hat mehr von ihr als ich. Ich bekomme nur die Schuld für ihren Tod«, seufzte Isak.
    »So ist das Leben«, erwiderte der Söldner gnadenlos. Er war zwar Isaks Freund, doch das bedeutete nicht, dass Isak eine besondere Behandlung erfuhr. »Du bist, was du bist – das reicht an sich schon aus, ganz besonders für Horman. Er liebte deine Mutter aufrichtig. Warum lehnst du dich auf?«
    Darauf gab es keine Antwort. Isak saß nur dort, schmollte und war nicht in der Lage, die Niederlage einzugestehen.
    »Gut, genug von deinem Vater. Freust du dich schon darauf, der Palastgarde beizutreten? Nach der Silbernacht kannst du die Prüfungen auch ohne die Erlaubnis deines Vaters ablegen.«
    »Wofür soll das gut sein?« Isak fuhr mit dem Fingernagel eine Zarge im Holz nach. »Ich werde niemals zu einem Geist werden  – warum sollten sie jemanden wie mich dort
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