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Sturmkaempfer

Sturmkaempfer

Titel: Sturmkaempfer
Autoren: Tom Lloyd
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Adern in den Deckenbalken, während seine Beine wegen des mangelnden Platzes in dem engen Wagen protestierten. Diese Träume quälten ihn schon, solang er sich erinnern konnte, wenn auch in unregelmäßigen Abständen. Obgleich er in allen anderen Belangen ein stoischer Jugendlicher war, verwandelten sie ihn doch wieder in ein ängstliches Kind. Die Bilder wirkten dabei so echt, dass er manchmal aufwachte, weil er sich vor Grauen übergab. Bei diesem Gedanken überkam ihn Scham. Er war jetzt älter, alt genug, um ein Erwachsener genannt zu werden, und doch versetzten ihn diese Träume stärker in Angst, als es irgendein Mann hätte tun können. Eine Weile lag er noch still da, folgte mit dem
Blick der Maserung des Holzes über sich, um sein wild klopfendes Herz zu beruhigen.
    Der Gerümpel und der Dreck wirkten auf beruhigende Weise vertraut und waren ihm in diesem Augenblick sogar willkommen.
    Dann setzte sich Isak auf, streckte sich und massierte den Schlaf aus seinen langen Gliedern, bis das von der wankenden Pritsche hervorgerufene Kribbeln verschwunden war. Er zupfte sein Lumpenhemd in eine einigermaßen manierliche Ordnung und kämmte das schwarze, dichte Haar mit den schlanken Fingern. Er übersah die durchgelaufenen, schmutzigen Schuhe, die achtlos in einer Ecke lagen.
    Dann schaute er durch die hinteren Vorhänge und merkte, dass es auch weiterhin warm blieb. Ein Aasvogel hing bewegungslos im wunderschönen blauen Himmel und Schwalben schossen hinab und stiegen auf, um die verbliebene morgendliche Beute zu erhaschen. Zu Hause wäre der Sommer längst vergangen, aber hier weigerte sich das Land länger, die Ankunft des Herbstes zur Kenntnis zu nehmen. Im Augenblick herrschten noch immer Insekten und blühende Blumen.
    Eine leichte Brise blies durch den Mief des engen Raumes und brachte einen Duft mit, der wie das Wetter gänzlich anders war. Hier war alles vom Geruch lehmiger Erde und wilden Thymians durchdrungen, auch wenn die feuchten, harzigen Aromen noch immer in seinem Kopf wirkten. Der dunkle Lehmboden des Großen Waldes im Norden hatte keine Ähnlichkeit mit diesem klebrigen roten Dreck.
    Die Reise war noch lang; er vermutete, dass sie mindestens noch eine Woche unterwegs sein würden, bis sich die Szenerie änderte, und bis dahin würde er das Wetter einfach genießen.
    Isak streckte den Kopf nach draußen, zu seinem Vater hinaus, der dort saß, die Zügel locker in der Hand, wie üblich einen Fuß
am Kutscherstand abgestützt. Auch er trug grobe und geflickte Kleidung, zeigte sonst aber nur wenig Ähnlichkeit mit seinem Sohn, bis auf die dunklen Haare und die bleiche Haut, die allen in ihrem Stamm gemein war. Er war kleiner, mit einem struppigen Bart, der seine beständig finstere Miene nicht verbarg; Horman wirkte älter, als er war, als hätte ihm die Boshaftigkeit mitsamt der Freude auch die Jugend genommen. Flecken von rötlicher Erde beschmutzten seine Reiterhosen und das locker fallende Hemd. Seine dunklen Augen zuckten, als er Isaks Bewegung hörte, und verengten sich, als er seinem Sohn ins Gesicht sah. Er ließ die aufgewickelte Peitsche schnalzen, aber Isak wich geschickt aus und so traf sie nur die Luft. Dem zornigen Blick, der folgte, konnte er jedoch nicht ausweichen.
    »Hast du dich endlich dazu entschlossen aufzustehen? Die Sonne ist schon vor drei Stunden aufgegangen. Du bist hier, um zu arbeiten, nicht um die Nacht damit zu verbringen, in der Wildnis rumzurennen. Manchmal frage ich mich, warum ich dich überhaupt noch hierbehalte.« Sein Vater blickte ihn scharf an, spuckte in den aufgewirbelten Staub der Straße und sah dann wieder auf den Horizont.
    Isak antwortete verbittert: »Und dann erinnerst du dich daran, dass ich so gut wie dein Sklave bin. Und außerdem kämest du ja alleine nicht zurecht.«
    Diesmal wurde die Peitsche mit mehr Inbrunst geschwungen und Isak erntete für seine Antwort einen stechenden Striemen auf der Wange.
    »Halt den Mund, wenn du nicht noch Schlimmeres erleiden willst. Und glaub bloß nicht, du bekämest Frühstück. Ich musste die Zugriemen heute Morgen ganz allein anspannen. Und du hast letzte Nacht nicht mal was gefangen – du bist noch nutzloser als der Rest deiner verdammten Art.« Horman seufzte. »Gnädiger Nartis, schütze uns vor den Weißaugen. Aber Carel wird
ohne Zweifel dumm genug sein, dich zu füttern, also geh mir aus den Augen, oder du kriegst noch einen.« Er ruckte mit seiner Peitsche und konzentrierte sich wieder auf die
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