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Sturm und Drang

Sturm und Drang

Titel: Sturm und Drang
Autoren: Martin Scott
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damit ihren Finger auf die Wunde.
    Ich muss zugeben, dass sie Recht hat. Ich kann höchstens vierzig auftreiben. Und das nur mit Schwierigkeiten.
    »Hast du etwas übrig?«, frage ich Makri.
    »Natürlich nicht«, erwidert sie. »Wer hat heutzutage schon Geld gespart?«
    Es schneit leicht, als wir vor der Rächenden Axt eintreffen. Ich freue mich auf ein Bier und einen Platz am Feuer.
    »Triffst du dich in absehbarer Zeit mit Lisutaris?«
    »Vergiss es!«, antwortet Makri. »Ich werde sie nicht bitten, dir Geld zu borgen.«
    »Das musst du gar nicht. Schneide einfach das Thema an. Dann rückt sie die Kohle vermutlich freiwillig heraus.«
    Makri weigert sich, und ich muss das Thema fallen lassen, weil Tanrose bereits auf mich wartet. Ich würde mich gern vor dem lodernden Kamin im Schankraum etwas aufwärmen, aber Tanrose hat nicht viel Zeit, bevor sie wieder an ihren Kupferkessel zurückmuss. Also bescheide ich mich mit einer Flasche Bier. Ich nehme sie mit in mein Büro und mache den Kamin an. Es ist kalt in dem Raum, und ich lasse meinen Mantel über den Schultern hängen, als ich mich hinter meinen großen Schreibtisch aus dunklem Holz setze, von dem aus ich meine Geschäfte betreibe.
    Tanrose setzt sich mir gegenüber. Sie ist zwar nicht dünn, aber längst nicht so füllig, wie man es aufgrund ihrer exzellenten Kochkünste erwarten könnte. Tanrose ist zurzeit einer der eher fröhlicheren Bewohner der Rächenden Axt. Falls sie sich über die bevorstehende Invasion der Orks Gedanken macht, lässt sie sich das nicht anmerken. Sie ist vollkommen glücklich, seit sie mit Ghurd verlobt ist.
    »Es ist merkwürdig, dich beruflich zu konsultieren, Thraxas.«
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Es geht um meine Mutter.«
    »Wie geht es ihr?«, frage ich höflich. Ich habe sie ein paar Mal getroffen. Bevor Tanrose zu Ghurd in die Taverne gezogen ist, hat sie bei ihrer Mutter in Parish gewohnt.
    »Ziemlich gut«, erwidert Tanrose. »Aber ihr Gedächtnis lässt allmählich nach.«
    Sie zögert und tippt nervös mit einem Finger auf den Schreibtisch.
    » Letzte Woche hat sie mir erzählt, dass ihr Vater einmal eine Kiste mit vierzehntausend Gurans in der Nähe des Hafens vergraben hat, die er sich nie wiedergeholt hat.«
    Meine Brauen zucken nach oben.
    »Vierzehntausend Gurans?«
    »In Gold.«
    »Woher stammt das Gold?«
    »Er war Kapitän eines Schiffes, das einen simnianischen Konvoi überfallen hat. «
    »Dein Großvater war Kapitän bei der Marine?«
    Tanrose nickt. Ich bin verblüfft. Einfache Seeleute genießen in Turai kein sonderlich hohes Ansehen, aber Schiffskapitäne kommen meistens aus wohlhabenderen Familien. Wenn Tanroses Großvater ein Kapitän war, muss ihre Familie ganz schön herabgesunken sein. Das ist Tanrose natürlich ebenfalls bewusst.
    »Er wurde ins Gefängnis gesteckt, und der größte Teil des Familienvermögens wurde konfisziert. Aus diesem Grund endete meine Mutter in Parish.«
    »Warum wurde er denn eingesperrt?«
    »Er wurde vor dem Senat beschuldigt, sich an dem Krieg mit Simnia bereichert zu haben. Er sollte die ganze Beute, die er zusammengerafft hatte, dem König übergeben, aber es wurde gemunkelt, dass er einiges zurückgehalten hat. «
    »Was, den Aussagen deiner Mutter nach zu urteilen, ja auch stimmt.«
    Tanrose nickt.
    »Es gab einen Streit darüber, wie viel Gold er nach Hause gebracht hätte und was davon ihm gehörte. Damals gehörten wohl nicht alle Schiffe zur Marine. Einige befanden sich in Privatbesitz und wurden von der Admiralität wegen des Krieges requiriert. «
    Ich bestätige ihre Worte mit einem Nicken. Im letzten Jahrhundert gab es etliche berühmte Seefahrer, die für Turai fochten und die nicht zur Marine gehörten. Einige waren vor dem Großen Krieg zwischen Simnia und der Liga der Stadtstaaten kaum mehr als Piraten. Als der Krieg ausbrach, erteilte Turai ihnen für ihre früheren Verbrechen Amnestie und gliederte sie in die Marine ein. Es wäre kein Einzelfall, dass einer dieser Kapitäne sehr viel Beute machte und anschließend Ärger mit dem König bekam, weil Seine Majestät darum feilschte, wem die Beute eigentlich gehörte.
    »Die Geschichte ist zwar merkwürdig, Tanrose. Aber vielleicht nicht ganz unglaubwürdig. Was ist mit deinem Großvater geschehen?«
    »Er ist im Gefängnis gestorben. Kurz nach dem Prozess, glaube ich.«
    »Warum hat deine Mutter das denn nie zuvor erwähnt?«
    Das weiß Tanrose auch nicht genau. Sie glaubt, dass ihre Mutter lieber das
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