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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern
Autoren: Scott Lynch
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husteten, fluchten und seufzten.
    Rauchschwaden hingen in der warmen Luft, es roch nach Duftwässern, Parfüms und Wein, nach Schweiß und gebratenem Fleisch, hin und wieder er  schnupperte man auch die harzigen Ausdünstungen alchemischer Drogen.
    Locke hatte schon früher richtige Paläste und Villen gesehen; der Sündenturm, so extravagant er auch sein mochte, war nicht schöner und auch nicht opulenter als die Domizile, in die viele dieser Leute heimkehrten, wenn diese Nacht des Glücksspiels sich dem Ende zuneigte. Das eigentlich Reizvolle am Sündenturm lag in seiner willkürlichen Exklusivität begründet; man muss nur ausreichend vielen Leuten etwas verweigern, und früher oder später rankt sich ein mystisches Flair um diese Angelegenheit.
    Beinahe versteckt am äußersten Ende der ersten Etage befand sich ein Schalter, eine solide Holzkonstruktion, hinter der ein paar ungewöhnlich kräftige Kasinoangestellte hockten. Zum Glück stand keine Schlange davor. Eine Spur zu heftig setzte Locke sein Kästchen auf dem Tresen unter dem einzigen Fenster ab.
    »Alles auf mein Konto.«
    »Mit dem größten Vergnügen, Meister Kosta«, erwiderte der Chefkassierer, als er das Kästchen in Empfang nahm. Leocanto Kosta, Warenspekulant aus Talisham, war in diesem Königreich aus Weindünsten und Wetteinsätzen gut bekannt. Geschwind trug der Angestellte den Wert von Lockes Spielmarken in ein Kassenbuch ein. Nachdem sie Durenna und Corvaleur geschlagen hatten, betrug Lockes Gewinnanteil selbst abzüglich seines Trinkgelds an den Croupier immer noch annähernd fünfhundert Solari.
    »Ich denke, es wäre nicht unangebracht, Sie beide zu Ihrem bemerkenswerten Sieg zu beglückwünschen, Meister de Ferra«, sagte der Angestellte, als Locke zur Seite trat, damit Jean sein Kästchen abgeben konnte. Jerome de Ferra, gleichfalls aus Talisham stammend, war Leocantos Zechbruder, und nach außen hin hatte es den Anschein, als hingen sie aneinander wie die Kletten.
    Plötzlich spürte Locke, wie jemand ihm die Hand auf die linke Schulter legte.
    Argwöhnisch drehte er sich um und sah sich einer Frau mit schwarzem, lockigem Haar gegenüber, deren elegante Kleidung in denselben Farben gehalten war wie die Uniform der Kasinoangestellten. Eine Hälfte ihres Gesichts war von geradezu bestürzender Schönheit; die andere glich einer ledrigen, braunen Halbmaske, von Runzeln und Furchen durchzogen, als sei sie böse verbrannt worden. Als sie lächelte, bewegten sich die Lippen an der zerstörten Seite nicht. Locke kam es so vor, als versuche eine lebendige Frau, sich aus einer groben Tonskulptur herauszuwinden.
    Selendri, Requins Hausdame.
    Die Hand, die auf Lockes Schulter ruhte (ihre linke, auf der verbrannten Seite) war künstlich. Sie bestand aus massivem Messing und schimmerte matt im Laternenschein, als sie sie zurückzog.
    »Das Haus gratuliert Ihnen zu Ihrem Gewinn«, begann sie mit ihrer unheimlichen, lispelnden Stimme zu sprechen. »Außerdem sind sowohl Ihre untadeligen Manieren als auch Ihre Standfestigkeit nicht unbemerkt geblieben. Sie und Meister de Ferra sind herzlich eingeladen, die sechste Etage mit Ihrem Besuch zu beehren. Sollten Sie den Wunsch verspüren, dieses Privileg in Anspruch zu nehmen, so wird man Sie beide willkommen heißen.«
    Lockes Lächeln war echt. »Mein Partner und ich bedanken uns für die freundliche Einladung«, erwiderte er zungenfertig, trotz seines Schwipses. »Wir gestatten uns, das Lob und die Anerkennung des Hauses als Kompliment aufzufassen.«
    Selendri nickte unverbindlich, dann tauchte sie genauso rasch, wie sie gekommen war, wieder in der Menge unter. Hier und da wurden staunend Augenbrauen gelupft - soweit Locke wusste, wurden nur sehr wenige von Requins Gästen von Selendri höchstselbst über ihren sozialen Aufstieg informiert.
    »Wir stehen hoch im Kurs, mein lieber Jerome«, sinnierte er, als sie durch das Gedränge auf die Vordertür zupflügten. »Vorläufig«, unkte Jean. »Meister de Ferra.« Der Oberste Pförtner strahlte sie an, als sie sich ihm näherten. »Und Meister Kosta. Darf ich Ihnen eine Droschke besorgen?«
    »Nein, danke, das ist nicht nötig«, lehnte Locke ab. »Ich kippe um, wenn ich nicht ein bisschen frische Nachtluft schöpfe. Wir gehen zu Fuß.« »Wie Sie wünschen, Sir.«
    Mit militärischer Präzision hielten vier Angestellte die Tür auf, damit Locke und Jean hindurchgehen konnten. Vorsichtig stiegen die beiden Diebe eine breite Steintreppe hinunter, die mit
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