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Sturm ueber Cleybourne Castle

Sturm ueber Cleybourne Castle

Titel: Sturm ueber Cleybourne Castle
Autoren: Candace Camp
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noch leise Stiche von Neid und Hilflosigkeit gegenüber Frauen wie Leona Vesey, die ihre üppige Weiblichkeit wie eine Waffe einsetzten.
    Hinzu kam das Vorurteil, dessen Ursache die Briefe von Viola Lamprey waren, der einzigen Freundin, die ihr nach dem Skandal um Jessicas Vater die Treue gehalten hatte. Viola war seit drei Jahren die Gemahlin von Lord Eskew und stand damit an der Spitze der Londoner Gesellschaft. Die beiden jungen Frauen hatten all die Jahre über miteinander korrespondiert, und Viola liebte es besonders, die Freundin mit ihren geistreichen und humorvollen Beschreibungen des ton, wie sich die oberen Zehntausend selbst zu nennen pflegten, zu amüsieren.
    Lord und Lady Vesey waren sehr oft der Gegenstand des Klatsches gewesen. Es hieß, er habe eine gefährliche Schwäche für ganz junge Mädchen, während sie über zehn Jahre eine allgemein bekannte „geheime Affäre" mit Devin Aincourt unterhielt. Vor ein paar Monaten waren Violas Briefe voll gewesen von den Geschichten über Aincourts überraschende Heirat mit einer reichen amerikanischen Erbin, die zurzeit in London die Runde machten, und ebenso von der gleichermaßen plötzlichen Beendigung der langjährigen Beziehungen durch Aincourt, nicht durch Lady Vesey. Die Damen der Londoner Gesellschaft waren darüber hoch befriedigt, denn Leona erfreute sich unter ihnen keiner großen Beliebtheit. In der Vergangenheit hatte sie nur zu gern demonstriert, wie leicht sie jeder von ihnen den Ehemann oder den Verehrer ausspannen konnte.
    Jessica war sich durchaus bewusst, dass sie Lady Vesey nicht aufgrund der Gerüchte beurteilen durfte. Schließlich war sie selbst vor zehn Jahren der Gegenstand boshaften Geredes gewesen. Deshalb hatte sie sich bei der Ankunft der Veseys bemüht, Leona völlig vorurteilsfrei zu betrachten. Aber es wurde ihr sehr bald klar, dass der Klatsch eher zu glimpflich mit Lady Vesey umgegangen war. Leona Vesey war selbstsüchtig, eitel und launisch. Gegenüber all jenen, die ihrer Meinung nach einen niedrigeren Rang einnahmen, benahm sie sich verletzend geringschätzig, wohingegen sie bei Menschen vor Liebenswürdigkeit überfließen konnte, von denen sie glaubte, dass sie ihr von Nutzen sein konnten - vorzugsweise natürlich Männer. Obwohl das Ehepaar erst drei Tage im Haus war, konnte Jessica es jetzt schon kaum ertragen, mit den beiden im selben Raum zu sein.
    Wieder spürte sie eine unterdrückte Bewegung bei Gabriela und fürchtete, das Mädchen werde seinem Ärger gegenüber Lady Vesey Luft machen. Rasch legte sie den Arm um seine Schulter und warf ihm einen warnenden Blick zu, denn sie machte sich Sorgen um die Zukunft von General Straetherns Mündel. Sollte der General wirklich sterben und Lord Vesey Gabrielas Vormund werden, so wäre ihr Leben schon schwer genug. Sie musste sich nicht auch noch Leona zur Feindin machen.
    „Oh, bitte, bitte, Onkel", erklang in diesem Augenblick wieder die zitternde Stimme, und Leona beugte sich über die starre Gestalt des Kranken, der in dem trüben Kerzenlicht bleich wie Wachs wirkte. „Sag mir doch noch ein Abschiedswort." Unvermittelt hoben sich die Lider des Alten. Leona stieß einen leisen Schrei aus, bevor sie entsetzt zurückwich. Mit seinen scharfen Habichtaugen starrte der General sie an.
    „Was, zum Teufel, machst du denn hier?" fragte er mit deutlicher Verärgerung, obwohl seine Stimme leiser und kratziger als sonst klang.
    „Nun, lieber Onkel", erwiderte Leona, die ein wenig die Fassung wiedererlangt hatte, immer noch etwas atemlos, „Vesey und ich kamen hierher, weil wir von deiner Krankheit gehört hatten und an deiner Seite sein wollten."
    Eine ganze Weile blickte der alte Herr sie schweigend an, bevor er spöttisch sagte: „Es erscheint mir wahrscheinlicher, dass ihr Angst um euren Anteil an meinem Vermögen hattet. Ich habe aber Neuigkeiten für euch. Ich werde noch nicht sterben. Und selbst wenn ich es tun würde, hinterließe ich nicht einen roten Heller für dich und deinen Lüstling von Ehegatten."
    „Aber Onkel... " Lord Vesey, der hinter seiner Frau gestanden hatte, rang sich ein gequältes Lachen ab. „Du gibst immer ein falsches Bild von dir ab. Die meisten kennen ja deine Vorliebe für kleine Scherze nicht..."
    „Mit dir habe ich überhaupt nicht gesprochen", unterbrach der General ihn barsch.
    Er schien mit jeder Minute kräftiger zu werden. „Verdammt und zugenäht! Niemand hat euch eingeladen. Ihr seid eine schreckliche Landplage."
    „Oh, Großonkel!"
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