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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schwarz und bitter zu trinken. Das vertrug sich besser mit den Antibiotika, die er nun schon seit zehn Tagen nahm, um die Entzündung in seiner von der Ratte übel zugerichteten Hand zu bekämpfen.
    Noah, der ihm gegenübersaß und soeben noch einer dunkelhäutigen Schönheit hinterhergestarrt hatte, die mit einem Tablett mehr an ihnen vorbeigeschwebt als -gegangen war, wandte sich wieder seinem Vater zu. »Du schaust in deine Tasse, als wolltest du mir aus dem Kaffeesatz die Zukunft lesen.«
    »Was?« Dirk hob ruckartig den Kopf. Ein scharfer Schmerz jagte durch seinen überstrapazierten Nacken.
    »Warst du mal wieder in Gedanken?«, fragte Noah.
    Dirk stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ja.« Er hatte sich auf der Ladepritsche des Hubschraubers liegen sehen, den Blick auf seinen Sohn gerichtet, der neben ihm lag, und auf Lubaya, die in ihrer ruhigen, geschickten Art die Erstversorgung übernommen hatte. Es waren die vielleicht schwersten Augenblicke seines Lebens gewesen. Er hatte nicht gewusst, ob er diesen idiotischen Sturz aus dem Hubschrauber überleben würde – und schon gar nicht, welche Überlebenschance Noah hatte. Aber um sich selbst hatte er in jenem Moment überhaupt keine Angst gehabt, nur um Noah.
    Seinem Sohn hier und jetzt in der Cafeteria eines modernen Klinikums in Alexandria gegenübersitzen zu können und zu sehen, wie gut er sich in den letzten Tagen erholt hatte, war das größte Glück, das Dirk je erfahren hatte. Zumal er wusste, dass gleich Kinah und Akuyi kommen würden, um sie abzuholen. Denn auch in dieser Beziehung hatten sie Glück: Noah und er durften heute beide die Klinik verlassen. Endlich.
    »Und du bist immer noch in Gedanken«, setzte Noah nach. »Vielleicht.« Dirk ließ den Kaffeelöffel los. »Ich habe nachgedacht. Über die Sturmwarnung, die ich vorhin im Radio gehört habe.«
    Noah winkte ab. »Ein kleiner Wirbelsturm, der über Nordafrika nach Europa ziehen wird. Nur eine Nachwehe dessen, was passiert ist – und was ist das schon im Vergleich mit dem, was hätte passieren können, wenn wir nicht dazwischengefunkt hätten!«
    »Möglich. Aber wenn ich mir überlege, was du mir in den letzten Tagen erzählt hast …«
    Noah, dessen Lippen eben noch ein leichtes Lächeln umspielt hatte, wurde schlagartig ernst. »Über die Sturmgeister und Sturmdämonen?«
    Dirk nickte. »Auch darüber. Und was das alles mit dem Thunderformer zu tun hat, den Ventura mit seiner Panzerkanone zerschossen hat.«
    »Thunderformer«, sagte Noah. »Ein schrecklich technisches Wort, nicht wahr?«
    »Mag sein.« Dirk umschloss die Kaffeetasse mit beiden Händen. Er genoss die Wärme, die durch das Porzellan drang – auch wenn sie bei weitem nicht in der Lage war, die Kälte zu vertreiben, die jedes Mal von ihm Besitz ergriff, wenn er daran dachte, was hinter ihnen lag.
    »Es war uralte Energie, deren sich die Männer bedient haben«, bemerkte Noah. »Energie aus versteinerten Walknochen. Sie haben geglaubt, mit ihrer Hilfe die Kraft des Sturms ganz nach Belieben entfesseln oder bändigen zu können. Was für ein schrecklicher Irrtum!«
    Dirk brauchte nicht zu fragen, wie Noah seine Worte meinte. Er beobachtete, wie er ein Stück Kuchen auf seine Gabel spießte, und war in Gedanken doch ganz woanders.
    »Ich habe immer noch nicht wirklich begriffen, was geschehen ist«, sagte er schließlich.
    Noah sah auf. Spott blitzte in seinen Augen. »Hast du denn überhaupt schon jemals etwas begriffen?«
    »Ich meine es ernst.« Dirk warf einen Blick zu dem Tisch hinüber, an dem die dunkelhäutige Schönheit Platz genommen hatte. Die junge Frau verteilte Getränke an ihre Familie, ein Elternpaar mittleren Alters, zwei jüngere Geschwister und den Großvater. Der alte, weißbärtige Mann sah auf, erwiderte Dirks Blick und lächelte ihm zu. Auf eine seltsame, weniger körperliche als vielmehr seelische Weise erinnerte ihn der Alte an Shimeru. Vielleicht, weil in seinen Augen die gleiche Art von Weisheit lag.
    Dirk schaute hastig weg. »Ventura hat den Thunderformer in der Halle entdeckt, in die er mit dem Panzer gefahren ist. Und dann hat er nur noch versucht, ihn zu zerstören.«
    »Was ihm zuerst nicht gelungen ist, weil das Ding hinter einer Abschirmung aus Stahl und Beton stand«, sagte Noah. »So hat es dir Ventura doch erzählt, nicht wahr?«
    »Allerdings.« Dirk nippte vorsichtig an dem heißen Kaffee. Er schmeckte noch bitterer, als er gedacht hatte. »Es war ein merkwürdiges Gespräch. Kaum mehr als
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