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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen
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müssten wir auf die Straße stoßen.«
    »Und wenn sie da auf uns warten?«
    Sie seufzte und zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
    »Wie kommen wir nach Hause?«
    »Weiß ich nicht.«

    »Sie haben auf seine Leiche geschossen«, sagte William. »Was er wohl getan hat, dass sie so wütend auf ihn waren?«
     
    Sie ahnten die Straße mehr, als dass sie sie sahen. Annie bedeutete William, sich ins feuchte Unterholz zu kauern, und so warteten sie ein paar Minuten lang und hofften, den Motor eines Fahrzeugs zu hören.
    »Wir sitzen hier wie verängstigte Kaninchen«, sagte William.
    »Pst.« Annie glaubte, ein Auto gehört zu haben. »Warte hier.«
    Sie kroch auf allen vieren durch die Büsche. Ihr nackter Fuß blutete, aber sie spürte ihn nicht mehr. Das Gras wurde dichter, und sie robbte auf dem Bauch zum Straßenrand. Zum ersten Mal seit den Schüssen empfand sie eine gewisse Erleichterung.
    Da spürte sie, dass jemand an ihrem Hosenbein zog.
    »Ich bin’s«, sagte William. »Mann, hast du einen Schreck gekriegt.«
    »Ich hab doch gesagt, du sollst warten«, zischte sie.
    »Wollte ich aber nicht.« Er kroch neben sie. »Was machen wir jetzt?«
    »Warten, bis wir ein Auto hören. Wenn es hier ist, springen wir auf und hoffen, dass uns der Fahrer zurück in die Stadt bringt.«
    »Und wenn es der weiße Geländewagen ist?«
    »Dann bleiben wir liegen.«
    »Ich dachte, du hast was gehört.«
    »Ja, aber vielleicht hab ich mich geirrt.«

    »Da …« William spitzte die Ohren. »Jetzt hör ich es auch.«
     
    Annie und William blickten sich an, während das tiefe Summen des Motors und das Geräusch der Reifen auf der unbefestigten Straße allmählich lauter wurden. Leider fuhr das Auto in die falsche Richtung - es kam aus der Stadt. Aber falls der Fahrer anhielt, hätte er wahrscheinlich nichts dagegen, zu wenden und sie nach Hause zu bringen. Außerdem konnte es wegen der Fahrtrichtung kaum der weiße Geländewagen sein.
    Als das Fahrzeug näher kam, begann der Boden unter Annie zu vibrieren, und sie kam sich fast wie ein Tier vor, nicht wie ein Mädchen.
    Sie spähte durch die Grashalme und sah erst eine Antenne, dann eine Windschutzscheibe. Es war ein neuer roter Pick-up, in dem nur der Fahrer saß.
    Sie sprang auf und zog ihren Bruder hinter sich her.
    Als sie auf der Straße standen, dachte sie zuerst, der Fahrer würde sie vielleicht nicht sehen. Er fuhr langsam und blickte statt auf die Straße in den Wald. Doch als sie schon an den Straßenrand zurücktreten wollte, bremste der Wagen, und sie erkannte hinter dem Steuer Mr Swann. Obwohl er sehr viel älter war, war Mr Swann eine Zeit lang mit ihrer Mutter ausgegangen. Aus der Sache war nichts geworden, aber er hatte sich ihnen gegenüber trotzdem immer anständig verhalten.
    Mr Swann hielt, beugte sich zur Tür auf der Beifahrerseite hinüber und öffnete sie. Annie brach erleichtert in Tränen aus.

    Er musterte sie. »Alles in Ordnung mit euch beiden? Habt ihr euch hier draußen verlaufen?«
    »Würden Sie uns bitte nach Hause fahren?«, fragte Annie mit tränenerstickter Stimme.
    »Was ist passiert?«
    »Bitte, bringen Sie uns nach Hause«, sagte William. »Wir haben gesehen, wie ein Mann erschossen wurde.«
    »Ihr habt was gesehen?«
    Als William einstieg, hörte Annie einen anderen Motor. Ein Stück vor ihnen, in einer Kurve, tauchte zwischen den Bäumen ein weiteres Fahrzeug auf.
    Der weiße Geländewagen.
    »Da sind sie!«, rief sie ihrem Bruder zu. »Leg dich auf den Boden!«
    »Was ist hier los, Annie?«, fragte Swann stirnrunzelnd.
    »Sie wollen uns töten!« Annie sprang in den Pick-up, knallte die Tür zu und kauerte sich neben William auf den Boden.
    »Jetzt mal im Ernst, Kinder …«
    »Bitte, fahren Sie!«, sagte Annie mit zitternder Stimme. »Fahren Sie doch endlich!«
    Swann legte den Gang ein, und sie hörte Kieselsteine unter den Reifen knirschen, als der Pick-up losfuhr.
    »Vielleicht sollte ich anhalten und sie fragen, was los ist«, sagte Swann. »Ist sicher alles nur ein Missverständnis.«
    »Nein!«, kreischten Annie und William wie aus einem Mund.
    Sie blickte zu Swann auf und sah seine verwirrte Miene. Was, wenn die Männer in dem Geländewagen Swann bedeuteten anzuhalten, um mit ihm zu reden? Auf diesen menschenleeren
Straßen sah man häufiger zwei Autos nebeneinander stehen, deren Fahrer sich unterhielten.
    »Bitte, halten sie auf keinen Fall an«, flehte Annie.
    »Ich weiß nicht, was passiert ist«, erwiderte Swann, »aber sicher
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