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Stürmisches Paradies

Stürmisches Paradies

Titel: Stürmisches Paradies
Autoren: Michelle Beattie
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erledigen? Unglücklicherweise hatte Oliver sich geweigert, auf die Stimme der Vernunft zu hören.
    Die Abfuhr hatte Lewis jedoch nur bedingt aufgehalten. An Tagen wie diesem, wenn Nathaniel – der testamentarisch bestimmte Aufseher – auf den Feldern beschäftigt war, kam Lewis ins Büro, studierte die Bücher und saugte alles in sich auf, was er über seinen verstorbenen Vater und das Geschäft herausfinden konnte, das man ihm zuvor verweigert hatte. Mit nunmehr zwanzig war er mehr als fähig, die Plantage selbst zu verwalten. Doch das Testament war hieb- und stichfest gewesen.
    Dennoch, diese heimlichen Besuche hatten mehr als bloßes Wissen über die Plantage erbracht. Es war während eines solchen Besuches gewesen, in jener Nacht, als er vom Tod seines Vaters erfahren hatte, dass er die Tagebücher mit den Eintragungen über Samantha gefunden hatte. Jeder Tag, seit Oliver sie am Strand gefunden hatte, war präzise vermerkt worden. Ihre Schönheit, ihr Verstand, ihre Ablehnung gegenüber Olivers Annäherungsversuchen, die dazu geführt hatte, dass sein Vater sie vergewaltigte. Die Wut, die er gespürt hatte, als er es ein zweites Mal versuchte, sie ihn jedoch dabei abwehrte, seinen Sklaven zur Flucht verhalf und sein Schiff nahm, tropfte schier aus den Buchseiten hervor. Er hatte beinahe zwei Tagebücher der Suche nach ihr und dem Schiff gewidmet, nur um am Ende doch zu scheitern. Das Schiff und Samantha wurden immer noch vermisst.
    Das Versagen seines Vaters bereitete Lewis extremes Vergnügen. Oliver hatte niemals den Wert seines einzigen Sohnes wahrgenommen. Er hatte angeheuerten Männern vertraut, ließ sie als seine Ratgeber fungieren und in seine Fußstapfen treten, als er aufbrach, um nach Samantha zu suchen, und er hatte dieselben Männer auch in seinem Testament bedacht.
    Aber Oliver hatte sich in seinem Sohn geirrt. Lewis war würdig und gerissen. Und er hatte soeben etwas gehört, das ihm schließlich die Chance geben würde, es auch zu beweisen. Die fette Fanny hatte soeben etwas gesagt, was seine Aufmerksamkeit geweckt hatte.
    Sam.
    Samantha war vor fünf Jahren geflohen. Nicht lange danach begannen die Gerüchte. Es gab eine neue Macht in den karibischen Gewässern, einen Piraten, der so geschickt war, dass niemand wusste, wie er aussah. Sam Steele. Zwar hatte seit fast einem Jahr niemand mehr Sam erwähnt, doch Lewis fragte sich, ob es möglich war, dass Samantha und Sam dieselbe Person waren. Immerhin hatte sie es geschafft, seinen Vater anzugreifen, ein Dutzend oder mehr Sklaven zu befreien und ein Schiff zu stehlen und das alles in einer Nacht. Wenn sie das konnte, war es gewiss auch denkbar, dass sie ein Pirat sein konnte. Und, dachte Lewis, Sam Steele war bekannt dafür, eine Schaluppe als Flaggschiff zu benutzen. Da das Schiff, das Samantha von seinem Vater gestohlen hatte, ebenfalls eine Schaluppe war, schien alles fast zu gut zusammenzupassen.
    Dies war seine Chance. Seine Gelegenheit, das Schiff zurückzubekommen und allen zu zeigen, dass Lewis etwas gelungen war, an dem Oliver gescheitert war.
    Aber seine Bestrebungen endeten damit noch nicht. Gewiss waren der Schatz und die Reichtümer, die sie angehäuft hatte, beträchtlich. Eine kleine Spritztour durch die Karibik war eine Erpressung schon wert, mit der er davon profitieren konnte, falls Samantha tatsächlich Steele war. Er würde nicht nur mit dem Schiff seines Vaters zurückkehren, sondern mit dem Respekt, den er verdiente.
    Und nach dem zu urteilen, was diese nutzlose Fanny erzählte, musste er dazu bloß dem Mädchen Alicia folgen.
     
     
    Charles ließ das Schwert fallen, an dem er gerade arbeitete. Es schepperte auf den Fußboden.
    »Bist du wahnsinnig?«, wollte er wissen.
    »Ich kann das machen«, versuchte es Alicia wieder. Im Nachhinein hätte sie ihm das Thema etwas behutsamer beibringen sollen, anstatt ihn einfach zu fragen, ob er die Werkstatt allein führen könne, während sie loszog, um jemanden zu suchen, von dem sie selbst bis vor zwei Tagen nichts gewusst hatte.
    »Nein«, erklärte er und hob den Stahl auf. »Nein, kannst du nicht. Du bist viel zu jung und naiv für diese Art von Vorhaben.«
    »Ich bin kein Kind, Charles. Ich kann selbst auf mich aufpassen.«
    Ihm traten die Augen hervor. »Hier vielleicht, wo du die Leute kennst und alles bekannt ist, aber dort draußen?« Er gestikulierte in Richtung Fenster, und sein Arm fuchtelte dabei wie wild hin und her. »Ich werde krank vor Sorge um dich werden.« Er
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