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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition)
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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fest, dass sie es nicht mehr hergeben wollte. Es war in den vergangenen Monaten ihr ständiger Begleiter gewesen, hatte es geduldig ertragen, wenn sie Holz gehackt, das Dach freigefegt oder im kalten Wasser Bisamrattenfallen ausgebracht hatte. Es war zweimal der Klinik entronnen, war bei allen Problemen dagewesen und hatte ihr an diesem Morgen vielleicht sogar das Leben gerettet. Sie hatte dem Kind jede nur erdenkliche Möglichkeit gegeben, sich zu verabschieden, aber jetzt wollte sie es nicht mehr sterben lassen.
    Sie legte die Hände auf den Bauch, um den Tumult zu besänftigen. Wie oft war sie zu anderen Menschen gegangen, hatte an deren Tisch gebettelt, aber von nun an hatte sie jemanden, für den sie sorgen konnte. Sie wollte ihre Sache so gut wie eine von den Wölfinnen machen, die Menschenkinder aufgezogen hatten. So gut wie ihre eigene Mutter würde sie es auf jeden Fall hinkriegen, denn sie wäre nicht so egoistisch, ihr Kind im Stich zu lassen, um sich selbst zu finden. Margo war genau so, wie sie sich gab. Und vielleicht wollte Luanne eines Tages wenn schon keine Mutter, so doch zumindest Großmutter sein.
    Sie versuchte zu Gott zu beten, doch es fühlte sich besser an, als sie die Hände auf Cranes Asche legte und ihn um Hilfe bat. Auch Smoke und Großvater Murray bat sie um Hilfe, und als es schließlich zu schneien aufhörte, war ihr, als hätten sie ihr Kraft gespendet.
    Der Parka hing immer noch triefnass an einem Stuhl am Ofen. Also zog Margo die Carhartt-Jacke an, wickelte sich in die Wolldecke und schleppte sich zurück zur Weide. Sie konnte die Stelle, an der sie sich ausgeruht hatte, zuerst nicht finden, aber sie schob den Schnee am Zaun entlang mit dem Fuß beiseite, bis sie auf Smokes Gewehr stieß. Sie wischte den Schnee davon ab und klemmte es sich unter den Arm.
    Am anderen Ende der Weide schlüpfte eine Gestalt zwischen zwei Reihen Stacheldraht hindurch und winkte ihr zu. Es war ein großer Mann mit Wollmütze. Eifrig winkte er noch einmal. Margo glaubte in ihm den Farmer zu erkennen. Sie wollte jetzt nicht mit ihm oder sonst jemandem reden, deshalb machte sie kehrt.
    »Warte!« Das war Johnnys Stimme. Als Margo sich umdrehte, sah sie ihn im Laufschritt auf sich zukommen. Ihre Reaktionen waren so langsam geworden, dass sie keine Zeit mehr hatte, um davonzulaufen. Also blieb sie wie eine brünstige Kuh stehen und umklammerte das Gewehr. Sie wusste, dass Smoke es immer geladen aufbewahrt hatte.
    »Fishbone schickt mich! Ich soll dir sagen, dass Smoke im Fluss ertrunken ist«, berichtete Johnny. »Sieht aus, als hätte er sich umgebracht, wie er es immer geschworen hat. Der alte Sack wird mir fehlen.« Er sprach zwar mit gedämpfter Stimme und nickte dabei ernst, aber Margo spürte die Erregung, die sein Körper ausstrahlte. Von Trauer würde er sich nicht aufhalten lassen! Margo spielte mit dem Gedanken, sich auf ihn einzulassen, um ihren Kummer für eine Weile zu betäuben. Aber was wäre danach?
    »Ertrunken«, wiederholte sie und schluckte. Tränen stiegen ihr in die Augen.
    »Warum läufst du wie eine Indianerin in einer Decke rum?«, fragte er. »Komm, Margie, wir gehen zu Smokes Boot und wärmen uns gegenseitig auf.«
    Margo riss sich zusammen. »Komm mir bloß nicht zu nah!«, warnte sie ihn.
    Johnny sah sie erschrocken an. »Fishbone hat mich geschickt, damit ich nach dir sehe. Erinnerst du dich nicht an mich? Ich bin Johnny. Wir haben uns bei Smoke kennengelernt.«
    »Das Boot gehört nicht mehr Smoke, sondern mir.« Sie hob das Gewehr auf Hüfthöhe und wich ein Stück zurück. »Wenn du auch nur einen Fuß auf das Deck von meinem Boot setzt, knall ich dich ab und werf dich in den Fluss.«
    »Ist das nicht Smokes Knarre?« Johnny streckte die Hand nach dem Gewehrlauf aus.
    Margo machte noch einen Schritt rückwärts. »Smoke hat sie mir geschenkt.«
    Sie stellte sich vor, wie es sich anfühlen würde, wenn Johnny sich an sie schmiegte, wie seine Hände sich auf ihren Brüsten, sein Haar und sein Hinterkopf sich in ihrer Hand anfühlen würden und wie sie die Wange an seine Brust legte. Sein Hals würde süß nach Schweiß riechen.
    »Ich warne dich!« Sie lud das Gewehr mit lautem Ratschendurch. »Wenn du auch nur einen Fuß auf mein Boot setzt, werden sie deine Leiche im Lake Michigan finden.« Schon nach diesen wenigen Worten war sie außer Atem.
    »Ich weiß nicht, was man dir über mich erzählt hat, aber ich bin eigentlich ein netter Kerl.« Johnny wich zwar einen Schritt
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