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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition)
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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Tisch saß und arbeitete oder im Bett lag und las.
    »Du warst nicht auf der Beerdigung«, stellte Fishbone fest.
    »Ich war in der Stadt. Ich war sogar im Bestattungsinstitut, aber dort habe ich es nicht ausgehalten. Es waren mir zu viele Menschen. Außerdem wollte ich Smoke nicht tot sehen.« Die grauweißen Schneevögel stoben plötzlich auf und flatterten flussaufwärts. Ein halbes Dutzend Kardinalsvögel kam angeflogen und machte sich über die Körner her.
    »Harland, der Farmer, und seine Frau waren dort. Und ein paar ehemalige Kunden aus der Druckerei, die ich noch von damals kenne. Du hättest Smoke mal sehen sollen, bevor er krank wurde! Er konnte Pferde beschlagen, krankes Vieh verarzten, ein Boot bauen, Bücher setzen … Er konnte so gut wie alles.«
    Margo nickte.
    »Er hat vielen geholfen, auf unterschiedliche Weise. Ich schulde ihm noch Geld. Er hat gesagt, dass ich es jetzt dir schulde.«
    »Sie schulden mir nichts«, wehrte Margo ab.
    »Doch, das tue ich. Ich hätte mich mehr um ihn kümmern sollen. Er hat sich immer um mich gekümmert, wenn ich ihn gebraucht habe, aber ich konnte einfach nicht.«
    »Smoke hat mal gesagt, Sie sind eine harte Nuss.«
    Fishbone zog kräftig an seinem Zigarillo und inhalierte, was er normalerweise nicht tat. Dann blies er einen dichten Schwall aus Rauch und warmem Atem in die Winterluft. »Die Welt ist ganz schön groß, oder nicht, junge Dame?«
    »Haben Sie Smoke geliebt?«
    Er machte eine Pause, als wollte er weiter ausholen, sagte dann aber nur: »Er war mein bester Freund.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Ich fand es immer schön, mit Ihnen und Smoke zusammenzusitzen und zu plaudern«, sagte Margo. »Das war für mich das Paradies.«
    »Komisches Paradies!«
    »Ich hab Ihnen gern beim Streiten zugehört.«
    Sie überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass sie versucht hatte, Smoke zu retten, und was für eine Erleichterung es gewesen war, als sie schließlich erkannt hatte, dass sie ihn loslassen musste. Sie hätte Fishbone gern erzählt, dass sie in dieser Nacht geträumt hatte, Smoke habe bei ihr im Bett gelegen und sein Geist sei zu ihrem Kind in sie hineingekrochen, aber sie wusste nicht, wie sie etwas so Verrücktes in Worte fassen sollte.
    »Smoky hat sein Testament geändert. Wusstest du das? Er hat dich als Erbin eingesetzt.«
    Sie biss sich auf die Lippe. »Für was?«
    »Für sein Haus. Er hat es geändert, kurz nachdem du von deiner Mutter zurückgekommen bist. Ich musste ihn zum Notar fahren. Das Haus ist aber nicht allzu viel wert.«
    Margo konnte sich nicht vorstellen, dass Fishbone sich einen Scherz mit ihr erlaubte.
    »Ich möchte dich um etwas bitten«, sagte er. »Kann ich mein Boot auf deinem Grundstück lassen? Du kannst es jederzeit benutzen.«
    »Smoke hat mal gesagt, dass Sie nicht mehr ihn, sondern nur noch den Fluss besucht haben.«
    »Und ob ich ihn besucht habe!«
    »Warum sind Sie so gern am Fluss?«
    Fishbone schnaubte. »Ich bin in Ohio am Fluss aufgewachsen. Wir wären verhungert, wenn wir nicht gejagt, Fische gefangen und Fallen gestellt hätten. Hierher in den Norden bin ich gekommen, um einen Job zu kriegen, aber es hat sich rausgestellt, dass ich nicht in dieser Autofabrik arbeiten konnte. Das hätte mich umgebracht. Smoky hat mich gerettet, er hat mir Arbeit und einen Liegeplatz für mein Boot gegeben.«
    Margo nickte. Mit Fishbones Boot konnte sie den Fluss hinauf- oder auch hinunterrudern und nach dem nächstgelegenen Reiherhorst Ausschau halten – bestimmt gab es an jedem Fluss einen. Und sicher gab es auch einen Seitenarm, in dem sich Schnappschildkröten und Wasserkresse finden ließen. Sie würde üben, die Ruder lautlos durchs Wasser zu ziehen.
    »Meine Kinder haben sich nie fürs Angeln oder den Fluss interessiert, aber vielleicht ist das bei meinen Enkeln mal anders.« Fishbone betrachtete seinen halb abgebrannten Zigarillo.
    »Ich könnte Ihnen das Angeln beibringen, wenn Sie wollen. Sind Sie sich wegen Smokes Haus sicher? Darauf wäre ich nie gekommen.«
    »Das Baby ist dort besser aufgehoben als auf diesem Boot hier. Bist du froh, dass du das Kind doch behältst?«
    Sie würde nicht versuchen, ihm zu erklären, dass sie das Baby nicht aus Prinzip behielt – es war eine persönliche Sache zwischen ihr und dem Kind.
    Das nächste Mal, wenn sie Fishbone sah, wollte sie etwas für ihn kochen. Mehl und Zucker hatte sie im Laden gekauft, und im Juni konnte sie Himbeeren pflücken, vielleicht sogar Maulbeeren, jetzt, wo sie
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