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Stresstest Deutschland

Stresstest Deutschland

Titel: Stresstest Deutschland
Autoren: Jens Berger
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Europa.
    Inflation – das deutsche Reizwort
    Warum verfolgt die Politik nicht solche oder ähnliche Pläne, um die Krise zu beenden? Dafür gibt es mindestens zwei Arten von Gründen – die tatsächlichen und die vorgeschobenen. Man kann der Öffentlichkeit nun einmal schlecht sagen, dass man mit Steuergeldern Banken am Leben halten will, die im Finanzkasino aneinem viel zu großen Rad gedreht haben. Man kann den Wählern auch nicht sagen, dass man sich vom politischen Ziel des gemeinsamen Wohlstands verabschiedet hat und nun plant, die Europäischen Volkswirtschaften auf einen Niedriglohnwettbewerb mit Schwellenländern zu trimmen. So viel Ehrlichkeit würde zu Widerstand und Unverständnis führen, und da man sehr genau weiß, dass man keine überzeugenden Argumente in der Hinterhand hat, greift man lieber gleich zu vorgeschobenen Gründen, die zwar keiner ernsthaften Überprüfung standhalten, aber über die emotionale Schiene an Ängste appellieren, die vor allem in Deutschland immer noch allgegenwärtig sind.
    Zu diesen vorgeschobenen Gründen zählt die immer wieder geäußerte Behauptung, nicht nur eine EZB -Finanzierung, sondern sogar Eurobonds würden unweigerlich zu einer Inflation führen. Dieses Scheinargument ist freilich spitzfindig, da die Inflationswarner nie konkrete Zahlen nennen und jede Form der vollkommen normalen Preissteigerung auch eine Form der Inflation ist. In Deutschland ist der Begriff »Inflation« jedoch auf unbestimmte Zeit verbrannt. Wenn ein Deutscher an Inflation denkt, so hat er dabei immer gleich Bilder von Schubkarren voller wertloser Geldscheine mit vielen Nullen vor Augen und erinnert sich an die Geschichten von Uropa und Uroma, die täglich und schließlich stündlich immer weniger für ihr Geld kaufen konnten. Inflation ist in Deutschland gleichbedeutend mit Hyperinflation, und wenn ein Volkswirt vor einer höheren Inflationsrate warnt, denkt man hierzulande unweigerlich an die Jahre 1920 bis 1923.
    Damit versperrt man sich jedoch den klaren Blick auf die Thematik. Ein Computertechniker würde den Begriff Inflation mit dem launigen Spruch »It’s not a bug, it’s a feature!« beschreiben. Inflation ist kein Systemfehler, sondern ein notwendiger Stützpfeiler unseres Wirtschaftssystems. Die EZB , die sich der Verhinderung einer höheren Inflation verpflichtet fühlt, hat eine Inflationsrate von zwei Prozent als Ziel ihrer Geldpolitik festgelegt. Auch dies wird in Deutschland oft falsch verstanden. Die EZB sieht die zwei Prozent nicht als gerade noch zu tolerierende Ober-grenze,sondern als Zielmarke. Das heißt, sie ist auch verpflichtet, bei einer Inflationsrate von beispielsweise 1,2 Prozent tätig zu werden, um die Inflation anzukurbeln. Fortschrittliche Ökonomen wie Heiner Flassbeck oder Paul Krugman halten die EZB -Zielmarke von zwei Prozent überdies für zu niedrig und fordern stattdessen eine erhöhte Zielmarke von drei Prozent bis vier Prozent pro Jahr. Paul Krugman ist auch der Ansicht, dass ein möglicher Ausweg aus den strukturellen Ungleichheiten innerhalb der Eurozone darin bestünde, den Überschussländern wie Deutschland über eine längere Periode hinweg eine höhere Inflation zuzumuten als der defizitären Peripherie. Dies ist zweifelsohne korrekt, hat jedoch einen kleinen, nicht unbedeutenden Haken: Man kann die Inflation nicht so einfach zentral steuern, wie es uns mancher Bundesbanker gern glauben machen würde.
    Wie entsteht Inflation? Auf diese Frage erhält man je nach Quelle komplett verschiedene Antworten. Die in Deutschland dominante monetäre Sichtweise, die auch von der Bundesbank geteilt wird, sieht die Inflation als Folge eines Wachstums der Geldmenge. In einem Wirtschaftssystem, in dem Banken noch Banken sind und primär die Bevölkerung wie Wirtschaft mit Krediten versorgen, die im Inland ausgegeben beziehungsweise investiert werden, ist dieser Zusammenhang zumindest theoretisch nicht völlig abwegig. Das Volumen der Finanzmärkte zeigt jedoch, dass nur ein Bruchteil des Geldes, das sich Banken von der Zentralbank leihen – und somit schöpfen –, in die Realwirtschaft geht. Wie und warum die Billionen Euro auf den virtuellen Märkten des Finanzkasinos einen konkreten Einfluss darauf haben, ob die Preise des statistischen Warenkorbs, mit dem das Statistische Bundesamt das Preisniveau misst, steigen, können jedoch auch die Bundesbanker nicht erklären.
    Es gibt zwei Arten von Inflation: die sogenannte Kostendruckinflation und die
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