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Streng vertraulich Kommissar Morry

Streng vertraulich Kommissar Morry

Titel: Streng vertraulich Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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diese Begabung mitriß — bis ich erkannte, daß dieses Talent nur auf einem Hang zur Selbsttäuschung beruhte."
    Lee nagte an seiner Unterlippe. Er spürte, daß Patricia recht hatte. Es machte ihn krank, daß sie ihn so gut durchschaute. „Jede Form des Optimismus ist Selbsttäuschung“, verteidigte er sich. „Ohne Optimismus gäbe es keinen Fortschritt, keinen Aufschwung, keinen Erfolg —.“
    „Stimmt, aber dieser Optimismus hat nur dann einen Sinn, wenn er von echtem Können untermauert ist“, meinte Patricia. „Ich kenne dich doch, Dirk! Du hast keinen Beruf, keine richtige Schulbildung — dir fehlt alles, um im Leben Karriere zu machen! Du verstehst ein wenig von Pferden, um gelegentlich einen guten Renntip anbringen zu können, du kennst genug Leute aus der Unterwelt, um auch dort mal etwas zu verdienen und da —
    Er unterbrach sie. „Willst du mir damit unterstellen, daß ich die Fünftausend auf unehrliche Weise erworben habe?“
    Patricia lächelte spöttisch. „Allerdings — das ist meine feste Überzeugung! Und jetzt entschuldige mich, bitte — ich muß an die Arbeit.“
    Noch ehe er etwas zu erwidern vermochte, war sie aufgestanden. Er blickte ihr hinterher, als sie zurück zum Podium ging. Wie sie sich zu bewegen verstand! Alles wäre nur halb so schlimm, wenn ihre Schönheit sich nicht so tief in sein Blut gefressen hätte.
    Er schaute sich um. Ihn drängte plötzlich danach, Patricia zu beweisen, daß er nicht auf sie angewiesen war. Sein Blick fiel auf eine Platinblonde, die unweit von ihm saß und eine lange Zigarettenspitze zwischen den Fingern hielt. Das Mädchen lächelte, als ihre Blicke sich kreuzten. Die Musik begann zu spielen. Lee erhob sich und trat an den Tisch des platinblonden Mädchens, um sie zum Tanzen aufzufordern. Sie schmiegte sich so dicht an ihn, daß ihn plötzlich ein heißes Begehren schüttelte. Ihm fiel ein, daß er in den letzten Monaten wie ein Mönch gelebt hatte.
    Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er glitt mit dem Mädchen über das Parkett und genoß ihre Nähe, ihre Wärme, und den Duft der ihrem Haar entströmte. Es störte ihn nicht, daß das Haar gefärbt war, er fragte auch nicht danach, weshalb das Mädchen allein in diesem Lokal saß; er vergaß sogar Patricia. Im Augenblick zählte nur das Erleben des Moments.
    Als der Tanz zu Ende war, fragte er: „Darf ich Sie zu einem Drink an der Bar einladen?“
    „Gern.“
    Am Bartresen sah er das Gesicht zum ersten Mal sehr genau und kritisch an. Das Mädchen mochte etwa einundzwanzig Jahre alt sein. Sie war hübsch — wenn auch auf eine etwas billige, vulgäre Weise. Es störte ihn nicht. Im Gegenteil. Sie war genau das Richtige, um ihn den Kummer mit Patricia vergessen zu lassen.
    „Was wünschen Sie zu trinken?“
    „Ich würde gern einen Manhattan nehmen.“
    „Einen Manhattan und einen Bourbon“, sagte Lee zu dem Barmixer. Dann wandte er sich wieder dem Mädchen zu. „Kommen Sie oft in dieses Lokal?“
    „Nein — ich bin um ersten Mal hier.“
    „Gehen Sie oft allein aus?“
    „Hm — manchmal schon.
    „Ich verstehe — Sie langweilen sich zu Hause, nicht wahr?“
    „Ein wenig.“
    „Mein Name ist Dirk Lee. Darf ich fragen, wie Sie heißen?“
    Das Mädchen lächelte. „Sie dürfen mich Patsy nennen — das erlaube ich nur meinen Freunden!“
    Lee lachte plötzlich.
    „Was ist daran so lustig?“ fragte das Mädchen mit runden Augen.
    „Nichts“, erwiderte er. „Sie heißen also Patricia? Mir fällt nur gerade ein, daß ich mit Mädchen dieses Namens bisher kein Glück gehabt habe.“
    „Das tut mir leid“, sagte das Mädchen und lächelte ihm verheißungsvoll in die Augen. „Aber das bedeutet ja nicht, daß es so bleiben muß —.“
    Der Mixer stellte die Drinks vor sie auf den Tresen und die beiden tranken. Lee spürte, wie die Wärme des Alkohols seine Stimmung besserte. Oder lag es daran, daß dieses Mädchen neben ihm saß und ihm in die Augen lächelte?“
    Lee war kein Narr. Er wußte, warum das Mädchen hier weilte. Es suchte Anschluß, es suchte einen Mann, bei dem etwas zu holen war. Das war ihr Beruf. Davon lebte sie. Na und? Er hätte es schlechter treffen können. Die Kleine war nicht übel.
    „Tanzen wir noch einmal?“
    Als sie über das Parkett glitten, geriet Lees Blut erneut in Wallung. Er hörte Patricias kehlige Stimme und entdeckte zu seinem nicht geringen Vergnügen, daß diese Stimme plötzlich ihren alten Zauber verloren zu haben schien. Sie berührte
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