Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Straub, Peter

Straub, Peter

Titel: Straub, Peter
Autoren: Die fremde Frau
Vom Netzwerk:
ich.
    Ich verließ das Krankenhaus, wobei meine Schuhe den ga n zen Flur entlang feucht quietschten, ging zu Fuß zum Hotel, duschte und zog mir frische Kleidung an. Nachdem ich mich angezogen hatte, fiel mir etwas ein, und ich fuhr mit dem Taxi zum Polizeirevier. Davor, hinter einem Abschleppwagen, stand unser Auto am Straßenrand. Ohne es jemandem zu sagen und ohne gesehen zu werden, öffnete ich die Tür und holte die durcheinander geworfenen Bücher vom Rücksitz. Überr a schenderweise waren die meisten trocken; ich wischte sie mit einem Taschentuch ab und brachte sie ins Krankenhaus, wo ich sie der Schwester gab. Sie sagte, man würde sie in ihr Zimmer bringen.
    Auf dem Rückweg zum Hotel schickte ich zwei Telegra m me: eines an die Autovermietung in Paris, wo wir das Auto gemietet hatten, das andere zum Ehemann der Frau, ebenfalls in Paris. Wie ich später herausfand, hatte er die ganze Zeit von unserer Reise gewusst und flog am nächsten Tag mit einem Privatflugzeug nach Aix. Ich ha be ihn nicht gesehen. Ich ve r brachte den ganzen Tag schlafend im Bett, am nächsten Tag rief ich im Krankenhaus an und erfuhr, dass sie keinen Besuch bekommen durfte. Ihr Mann, vermutete ich, hatte sie best o chen, mich nicht zu ihr zu lassen. Dr. La Porte, dessen Stimme einen Ton dunkler und herablassender als zuvor war, teilte mir mit, sie habe das Bewusstsein wiedererlangt, schliefe aber die meiste Zeit. Und: »Bleiben Sie von diesem Krankenhaus fern, Sir, wenn Sie unnötige Schwierigkeiten vermeiden wollen. Nur Familienmitglieder werden eingelassen, das ist Vorschrift. Diesbezüglich waren die Anweisungen des Ehemannes sehr eindeutig. « Klick.
    Am nächsten Tag verließ ich Aix, nach einer langen und staubigen Taxifahrt flog ich von Nizza ab, landete in Paris und nahm sofort den nächsten Flug nach London. Ich kam mit e i ner schrecklichen Erkältung dort an, die mich schüttelte und meinen Kopf in einem Schraubstock hielt. Auf dem Boden in unserer Diele fand ich einen Brief von Morgan; sie sagte, sie und Joanie würden gemeinsam zurückkehren und in einer W o che hier sein; kurz nach ihrer Ankunft sollte ich Abe Gabriel zu einer Party einladen. Die letzten Zeilen des Briefes lauteten: »Joanie hat geredet, weißt Du – über Dich. Es macht mir nichts mehr aus. Vielleicht hast Du auch das gewusst , dass ich sogar bereit bin, mich zu demütigen. Versuchen wir einfach eine Weile, ehrlich zusammenzuleben und herauszufinden, ob es immer noch funktioniert. «
     

3
     
    »Hast du geglaubt, sie wäre tot? «
    »Ich konnte an gar nichts denken. Ich war benommen. Ha t test du je einen Unfall? «
    Sie sieht mich unverwandt und vorwurfsvoll an: für sie war alles wie ein Unfall, möchte sie mir zu verstehen geben.
    »Was hättest du getan, wenn sie tot gewesen wäre? «
    »Was hätte ich tun können? «
    »Wie empfindest du jetzt für sie? «
    »Kann ich nicht sagen. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. «
    »Liebst du sie immer noch? «
    »Ich glaube schon. In gewisser Weise. Nein … jedenfalls nicht mehr so wie zuvor. Das hat ja erst zu dem Streit geführt. Ich sagte ihr, dass ich sie verlassen würde. «
    »Das hast du? « Morgans Gesicht bricht, sie bedeckt den Mund mit den Händen. Ich kann sie zittern sehen. »Ich kann es nicht ertragen «, sagt sie. »Jetzt soll ich mich glücklich fühlen, dass du eine andere Frau verlassen hast. « Sie bedeckt die A u gen mit einer Hand, und ich kann sehen, dass sie genau de s wegen glücklich ist.
    »Ich bin eine Närrin. So ein Schwächling «, sagt sie. Ihre Stimme ist voll aufrichtig empfundener Wut. »Es tut mir nicht leid, dass sie verletzt wurde «, sagt sie. »Sie wird mir nie leid tun, ganz gleich, was passiert. «
     
    Bevor Abe Gabriel weg war, hatten wir etwas, worüber wir reden konnten, eine gemeinsame Sorge. Es missfällt mir, über meine Arbeit zu reden, weil ich sie so tief in mir trage, dass ich sie ständig herumdrehe und untersuche, wie ein Kind Schorf an seinem Ellbogen untersucht; und abgesehen von einer schmerzlichen Unterhaltung, nachdem sie zurückgekommen war, sprachen Morgan und ich nicht über die Frau oder meine Affäre, oder meine Gründe, zu ihr zurückzukehren. Einmal, als sie mich mitten in der Nacht wachrüttelte und fragte: »Was denkst du, was du mir angetan hast? «, versuchte ich ihr zu e r klären, was ich an jenem Tag in Abc gelernt hatte, als ich in dem Dreieck zwischen meinem Bedürfnis nach der Frau, me i nen Schmerzen und dem beharrlichen Druck
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher