Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)

Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)
Autoren: Lili St. Crow
Vom Netzwerk:
Augen.
    Und plötzlich wurde mir noch etwas bewusst: Ich war nicht allein hier.
    Jemand sprach in dem Flur hinter der Diele. Es war die Stimme eines Jungen, heller als Graves’ und schärfer als Christophes, aber mit denselben seltsamen Pausen zwischen den Wörtern wie bei dem Djamphir.
    »Komm in meine gute Stube, sagte die Spinne«, vernahm ich die Stimme, die fröhlich kicherte. Offenbar amüsierte sich da jemand köstlich. »Und brav kommt die kleine Fliege und schnappt den Köder.«
    Ich hob den Kopf, so dass mir feuchte Kräusellocken ins Gesicht fielen.
    Ich erkannte einen Umriss in der Tür zum Flur, eine Gestalt von einer schwärzeren Dunkelheit, als sie physisch möglich sein sollte. Und auf einmal wusste ich, wer in jener Nacht auf meiner Vorderveranda gewesen war. Er war nicht eingeladen gewesen, also hatte er nicht über meine Schwelle treten können. Aber nun war ich hergekommen, und er war hier. Und warum hatte Christophe mich zu ihm geschickt?
    Der nächste eiskalte Schauer badete mich komplett.
    »Sergej.« Ich klang normal, nicht verrückt vor Angst. Eigentlich klang ich sogar ziemlich gut.
    Er trat in den goldenen Schein des Kronleuchters, und jetzt verstand ich, wieso es so kalt war. Die Kälte kam von ihm, strahlte aus seiner porenlosen Haut mit ihrem Anflug von Ledrigkeit. Und dann folgte der nächste Schock.
    Dem Aussehen nach war er ungefähr achtzehn – ein bisschen älter als Graves, ein bisschen älter als ich. Er hatte breite Schultern, als würde er regelmäßig ins Fitnesscenter gehen, und ein Gesicht, wie man es von alten Münzen kannte: eine lange, schmale Nase, ein feingezeichneter Mund, dichte, kunstvoll zerzauste honigblonde Brauen. Aber mit seinen Augen stimmte etwas nicht. Sie kamen denen am nächsten, die mir bei Kindern in einigen Großstadtstraßen aufgefallen waren. Bei Kindern, die aus den Schatten auftauchten, während Wagen langsam vorbeifuhren. Sie hatten kleine, sehr junge Körper, in ihrem Blick jedoch etwas Uraltes. Solche Kinder hatten eine Menge Dinge gesehen, die kein Kind jemals sehen sollte. Und bei ihrem Anblick hatte es mich gefröstelt, so dass ich im Auto näher zu Dad gerückt war.
    Allerdings waren jene Kinder noch menschlich gewesen. Und dieses Ding war es nicht. Es sah jung aus, und ich schätzte, wenn man nicht gewöhnt war, Sachen genauer anzuschauen, hätte man einfach bloß gedacht, dass es Glück hatte, mit so einer tollen Haut und solchen mördermäßigen Lippen gesegnet zu sein.
    Sah man genauer hin, gierte das Ding mit den funkelnden Augen nach einem – kurz bevor es einen verschlang.
    Es trug einen dünnen schwarzen Pullover und Jeans, wie Christophe. Dazu hatte es sehr teure Nikes an und eine goldene Armbanduhr, die viel zu riesig und protzig war, um nicht echt zu sein. Wahrscheinlich eine Rolex. Ja, er war eindeutig der Rolex-Typ.
    Ich stand da und starrte Sergej mit halb offenem Mund an. Dann hörte ich etwas durch das Klingeln in meinem Kopf. Ein rhythmisches Klopfen, eine Uhr, die an eine gigantische Trommel gehalten wurde, so dass ihr Ticken in deren Bauch hallte. Schneller und schneller. Bei dem Geräusch musste ich an eine winzige dunkle Höhle denken, an Stofftiere und an meinen eigenen abgestandenen Atem, bevor ich einschlief. Ich war so müde gewesen.
    Ich liebe dich, meine Süße. Ich liebe dich so sehr … Wir spielen ein Spiel.
    Ein Baseballschläger, bei dessen Schwung der Schläger abhob, hätte mich nicht heftiger treffen können als das, was ich jetzt begriff. Das tickende Wummern war sein Herzschlag! Ich stand hier in einem Riesenkasten von vorgetäuschtem Haus, draußen ein Schneesturm und Graves, und musste ganz allein einen Blutsauger niederstarren. Einen Blutsauger, der meinen Vater in einen Zombie verwandelt und meine Mutter umgebracht hatte, und das vor Jahren.
    Meine linke Hand bildete immer noch eine Faust um das Medaillon. Das pumpende, klopfende Geräusch war verflucht nahe, und der Junge lächelte mich an. Ein richtig süßes Lächeln, ließ man sich nicht von den nadelspitzen Reißzähnen irritieren, die noch viel schärfer und vor allem grotesker als Christophes wirkten. Und diese Augen waren Schlammgruben, die nur darauf warteten, dass man in ihnen versank und einem Mund und Nase mit eiskaltem schwarzem Wackelpudding vollquollen.
    Aber ich hörte auch etwas anderes: gedämpftes Flügelschlagen.
    Er machte einen Schritt vor. »Reif«, sagte er, wobei die eine Silbe durch seine verlängerten Eckzähne verzerrt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher