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Sträflingskarneval

Sträflingskarneval

Titel: Sträflingskarneval
Autoren: Annette Eickert
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ihre Schwester, in Clifden. Rossalyn schaute ängstlich zum Richterstuhl, und anschließend zwischen den zwei Protokollanten und den Anwesenden hin und her. Kimberly saß neben ihr und tadelte Ryan mit stechendem Blick. Doch er reagierte nicht, lehnte sich mit verschränkten Armen zurück und beobachtete die Zuschauermenge. Kim würde schon noch sehen, was sie von ihrer neuen Einstellung hatte, dachte er sich.
    Die Frauen und er befanden sich weit vom Eingang entfernt. Für die Verhandlungstage hatte man zusätzliche Stuhlreihen an den Wänden aufgestellt und jede war bis zum letzten Platz besetzt, denn niemand wollte sich die heutige Verhandlung entgehen lassen. Es dauerte nicht lange und Richter Hinthrone kam mit strengem Gesichtsausdruck herein, setzte sich auf seinen ledernen Richterstuhl und machte mit lauter Stimme auf sich aufmerksam.
    „Wir haben uns hier im Namen des Druida Lovo von Irland eingefunden, um über folgende Angeklagte Recht zu sprechen …“ Er klappte eine dicke Mappe auf und strich sich anschließend fahrig durch sein schütteres graues Haar. Seine braunen Augen sahen müde aus, denn auf seinen Schultern lag seit seiner Ernennung zum Großmeister eine große Last. Ruhig las er fünfzehn Namen vor, darunter auch die von Lawren und Aidan McGrath. Als er geendet hatte, wurden augenblicklich fünf der eben genannten Angeklagten durch eine kleine Seitentür in den Saal geführt, flankiert von zehn bulligen Ordensmitgliedern, die mit Schlagstöcken bewaffnet waren, bereit, sie jederzeit einzusetzen.
    Die Aufrührer von Datla Temelos wirkten allesamt von ihrem Gefängnisaufenthalt gezeichnet, teilweise unterernährt und alles andere als rebellisch. Viele hatten Probleme mit ihren schweren Hand- und Fußfesseln überhaupt einen Schritt nach vorne zu machen. Ihre Haltung war gebeugt und ihre ungewaschenen Körper wurden von alter, abgetragener und grauer Einheitskleidung bedeckt – eine Hose und ein Hemd. Ihre Füße waren nackt und wie ihre Gesichter dreckig.
    Und dies alles im 21. Jahrhundert, dachte Ryan und schluckte. Denn mit solch einem Anblick hatte er nicht gerechnet. Die restlichen Zuschauer schienen keineswegs überrascht zu sein. Der Orden hielt an seiner mittelalterlichen Rechtssprechung fest und behandelte die Täter entsprechend. Es gab sogar eine Gefängnisinsel, sie lag irgendwo im Norden Irlands, umgeben vom Atlantischen Ozean. Kein Schiff verirrte sich dorthin. So zumindest hatten es ihm andere Mitglieder erzählt, aber selbst dorthin reisen wollte er nie. Auf Llŷr Island – nach dem irischen Meeresgott Llŷr benannt – wurden seit jeher Verbrecher, die sich am Orden schuldig gemacht hatten – bestraft, was oft durch lebenslange Haft mit dem Tode endete. Die Haftbedingungen waren grausam und unmenschlich.
    Durch einen lauten Aufschrei schreckte Ryan blitzartig aus seinen Gedanken auf, als ein Gefangener wild um sich schlagend und schreiend das Urteil ‚Lebenslänglich Llŷr’ hörte. Schnell und rücksichtslos wurde er von den Wachen zur Räson gebracht. Es brach nervöses und hauptsächlich zustimmendes Getuschel in der Menge aus, als die Abgeurteilten zurück durch die Seitentür und von dort in den angrenzenden Kerker gebracht wurden, der im Keller des Gebäudes untergebracht war.
    „Entschuldigung“, flüsterte Kimberly unerwartet in Ryans Ohr, und er wusste, wofür sie sich entschuldigte. Doch er war auch nicht wirklich unschuldig an ihrem vorangegangenen Streit und spürte gleichzeitig, wie seine Wut sich in Rauch auflöste.
    Ryan lächelte Kimberly versöhnlich an, drückte ihre Hand und sie erwiderte sichtlich dankbar diese Geste.
    „Die Verhandlung des Druida Lovo gegen Aidan Kendrik McGrath soll beginnen“, schallte die Stimme des Richters durch den Saal und in die Versammelten kam schlagartig neues Leben.
    Rossalyn McGrath seufzte herzzerreißend und wischte sich verstohlen Tränen aus ihrem blassen Gesicht. Doch nun saß sie nicht mehr wie ein Häuflein Elend auf ihrem Stuhl, sondern streckte ihre schmalen Schultern und schaute gebannt hinüber zur Tür, die sich just in diesem Augenblick öffnete. Auch Kendra, Kimberly und Ryan erwarteten nervös, was nun geschehen würde.

- 1 -
    Das Urteil
     
    Aidan Kendrik McGrath kam durch die Seitentür in den Verhandlungssaal gestolpert und Ryan kniff mehrere Male die Augen zu. Er dachte, er würde träumen, doch das tat er nicht. Dann musste es sich um einen ziemlich schlechten Scherz handeln, denn was er sah, konnte
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