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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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haben?" und von seiner Entscheidung, lieber mit
einem Gewissen zu leben als davon frei zu sein, und von dem Umstand, dass er
nicht sagen konnte, warum er sich so und nicht anders entscheiden würde. Ein
Moralist oder Theologe hätte vielleicht geantwortet "Weil es richtig ist"
oder "Weil ich ein guter Mensch sein will". Aber mein Freund, der
Psychologe, konnte keine psychologisch begründete
Antwort geben.
    Ich bin
der festen Überzeugung, dass wir den psychologischen Grund herausfinden müssen.
Gerade jetzt, in einer Welt, die am Rande der Selbstzerstörung durch
Wirtschaftskriminalität im globalen Ausmaß, Terrorismus und Kriege des Hasses
zu stehen scheint, müssen wir wissen, warum - im psychologischen Sinne - ein Mensch mit einem Gewissen besser ist als ein Mensch, der
nicht von Gefühlen der Schuld oder der Reue eingeschränkt wird. Zum Teil ist
dieses Buch meine Antwort als Psychologin auf diese Frage, "Warum sollte
man ein Gewissen haben?" Um den Gründen näher zu kommen, werde ich
zunächst Menschen beschreiben, die kein Gewissen haben, die Soziopathen - wie
sie sich verhalten, wie sie fühlen. Anschließend will ich mithilfe der so
gewonnenen Einsichten für die restlichen 96 Prozent von uns untersuchen, was es
wert sein könnte, mit einer Eigenschaft ausgestattet zu sein, die einem oft
das Leben erschwert, Schmerzen verursacht und - ja, in der Tat - einen
einschränkt.
    Dieses
Buch ist auch mein Versuch, ehrenhafte Menschen vor "dem Soziopathen von
nebenan" zu warnen und dabei zu helfen, mit ihm umzugehen. Als Psychologin
und als Mensch habe ich mit ansehen müssen, wie allzu viele Leben fast zerstört
worden sind durch die Entscheidungen und Handlungen einiger weniger
gewissenloser Menschen. Diese Wenigen sind sowohl gefährlich als auch
verblüffend schwierig zu erkennen. Selbst wenn sie nicht körperlich gewalttätig
sind - und gerade dann, wenn sie uns vertraut sind und nahe stehen -, sind sie
doch mit Leichtigkeit imstande, das Leben einzelner Menschen durcheinander zu
bringen und die menschliche Gesellschaft insgesamt unsicher zu machen. Meiner
Ansicht nach ist die Dominanz von gewissenlosen Menschen über uns andere ein
besonders verbreitetes und abstoßendes Beispiel für das, was der Romancier F.
Scott Fitzgerald als "die Tyrannei der Schwachen" bezeichnet hat. 12 Und ich meine, dass alle ehrenhaften Menschen erfahren sollten, wie sich solche
unmoralischen und skrupellosen Menschen im Alltag verhalten, um sie besser
erkennen und effektiver mit ihnen umgehen zu können.
    Wenn es
ums Gewissen geht, scheinen wir eine Gattung der Extreme zu sein. Wir müssen
nur unsere Fernseher einschalten, um diese verwirrenden Gegensätze zu erleben:
Wir sehen Bilder von Menschen auf den Knien, um einen Welpen aus einem
Abflussrohr zu retten, gefolgt von Berichten über andere Menschen, die Frauen
und Kinder abschlachten und die Leichen zu Stapeln aufschichten. Und in unserem
gewöhnlichen Alltagsleben sind die Kontraste ebenso vielfältig, wenn auch
vielleicht nicht so spektakulär. Am morgen läuft jemand hinter uns her, um uns
lächelnd den Geldschein zurückzugeben, den wir verloren haben, während uns am
Nachmittag ein anderer grinsend im Verkehr den Weg abschneidet.
    Bedenkt
man das so radikal gegensätzliche Verhalten, das wir jeden Tag erleben, müssen
wir offen über beide Extreme menschlichen Wesens und Verhaltens sprechen. Um
eine bessere Welt zu schaffen, müssen wir den Charakter von Menschen verstehen,
die wie selbstverständlich gegen das Gemeinwohl handeln, ohne jegliche
emotionale Hemmung. Nur durch den Versuch, das Wesen der Gewissenlosigkeit zu
verstehen, können wir die vielen Möglichkeiten erkennen, sich dagegen zu
behaupten, und nur, indem wir die Dunkelheit durchdringen, können wir dem Licht
zu mehr Kraft verhelfen.
    Ich habe
die Hoffnung, dass dieses Buch dazu beitragen wird, den zerstörerischen
Einfluss der Soziopathen auf unsere Leben zu begrenzen. Jeder einzelne
ehrenhafte Mensch kann lernen, den "Soziopathen von nebenan" zu
erkennen und dieses Wissen dazu einsetzen, seine gänzlich selbstsüchtigen Pläne
zu durchkreuzen. Zumindest jedoch kann man sich und seine Lieben vor dessen
schamlosen Manövern schützen.
     
    E I N S
     
    der siebte
sinn
     
    Tugend ist
nicht das Fehlen von Lastern oder das Vermeiden moralischer Versuchungen;
Tugend ist belebt und eigenständig wie Schmerz oder ein Duft.
    — G. K.
Chesterton
     
    Heute
morgen ist Joe, ein 5ojähriger Rechtsanwalt, fünf
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