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Stolz und Verlangen

Stolz und Verlangen

Titel: Stolz und Verlangen
Autoren: Sylvia Day
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Essex, auf dem lediglich ein bescheidenes Haus stand. Auf den ersten Blick war das Grundstück völlig unbedeutend. Dennoch war sein Wert unbezahlbar. Es symbolisierte jahrelange sorgfältige Planung und die Möglichkeit zur Vergeltung. In sechs Wochen würde es unwiderruflich in seinen Besitz übergehen, und dann könnte er es nach Belieben zerstören oder zur Schau stellen.
    Jasper holte einen Beutel mit Silbermünzen aus der Schreibtischschublade und schob ihn in Lynds Richtung.
    Nach kurzem Zögern nahm Lynd den Beutel an sich. »Ich wünschte, ich könnte es mir leisten, das nicht anzunehmen.«
    »Unsinn. Ich schulde Ihnen weit mehr, als ich jemals zurückzahlen kann.«
    Jasper stand auf, brachte Lynd zur Haustür und verabschiedete sich von ihm. Sobald sein Besucher gegangen war, warf Jasper einen raschen Blick auf die Kaminuhr.
    In zwei Stunden würde er Miss Eliza Martin einen Besuch abstatten. Er freute sich auf das Wiedersehen mehr, als es unter den gegebenen Umständen angebracht war. Eigentlich sollte er keinen Gedanken an sie verschwenden, schließlich war sie eine Frau, die der Ansicht war, er habe mehr Muskeln als Verstand. Doch seine Ziele erreichte er nur dann, wenn er sich jeder Herausforderung zum richtigen Zeitpunkt stellte und seine ganze Aufmerksamkeit darauf verwendete. Das Treffen mit Eliza hatte noch Zeit; es gab andere wichtige Dinge, um die er sich jetzt kümmern musste. Dennoch ertappte er sich dabei, wie er auf der Türschwelle zu seinem Büro stehen blieb und überlegte, wie er sich für den Besuch bei Eliza kleiden sollte: Sollte er sich elegant ausstaffieren, um sie zu beeindrucken, oder wäre es taktisch klüger, wenn er ihren unauffälligen Stil nachahmte?
    Er musste sich eingestehen, dass er ihr gefallen wollte. Es würde schwierig sein, aber es war der Mühe wert.
    » Le trône d’amour «, murmelte er vor sich hin, während er über seine Krawatte strich. Nachdem er entschieden hatte, was er anziehen würde, ging er zum Schreibtisch und schwor sich, mindestens eine Stunde lang nicht an seine neue Klientin zu denken.
    Um Punkt elf Uhr stand Jasper vor Melvilles Haustür. Er ließ seine Taschenuhr zuschnappen und blieb einen Moment im Vorraum stehen, während der Butler seinen Hut und den Spazierstock entgegennahm. Doch er genoss diesen Moment, kostete die darin schwingende Erwartung aus. Er hatte überlegt, warum er so erpicht auf diese Verabredung war, und war zu dem Schluss gekommen, dass es an Eliza Martins Fähigkeit lag, ihn zu überraschen.
    Mit dieser Erkenntnis war die Einsicht einhergegangen, dass ihn schon sehr lange nichts mehr überraschte. Noch bevor jemand den Mund aufmachte, wusste er schon im Voraus, was dieser Mensch sagen oder wie er reagieren würde. Er kannte die starren Regeln der Etikette und war vertraut mit dem menschlichen Naturell. Der gesellschaftliche Umgang glich einem Theaterstück, bei dem alle Akteure ihren Text und ihren Einsatz kannten.
    Eliza hatte bisher noch nichts geäußert, was vorhersehbar gewesen wäre.
    »Hier entlang, Sir.«
    Jasper folgte dem Butler zu einem Arbeitszimmer und blieb, während sein Besuch angekündigt wurde, auf der Schwelle stehen. Die Hände im Rücken verschränkt, sah er sich in dem Raum um. Das schwere Mobiliar wurde durch geblümte, pastellfarbene Vorhänge und pittoreske Landschaftsgemälde aufgelockert. Als wäre der Raum einst der Wirkungsbereich eines Mannes gewesen, der sein Zepter inzwischen abgegeben hatte.
    »Ah, guten Morgen, Mr. Bond.«
    Der Butler verbeugte sich und trat beiseite, gab den Blick auf die schlanke Frau frei, die durch seine hochgewachsene Gestalt verdeckt gewesen war. Eliza saß an einem Walnussholzschreibtisch, der so gigantische Ausmaße hatte, dass sie dahinter wie ein Zwerg wirkte. Ihre Lider waren auf den Schreibtisch gesenkt, ihr Haar in weichen Locken hochgesteckt, und ihre Schultern waren von zarter Spitze umhüllt, die ein schlichtes Mieder zierte.
    Jasper trat ein und ging auf einen der beiden Stühle zu, die vor dem Schreibtisch standen. Ehe er Platz nahm, linste er auf die Unterlagen, um zu sehen, was Eliza derart beschäftigte. Ein Hauptbuch. Sie arbeitete gewissenhaft daran, füllte die Spalten mit beeindruckender Geschwindigkeit und mit peinlich ordentlichen Zahlen.
    »Auch diesmal absolut pünktlich«, murmelte sie.
    »Ein weiterer Fehler auf meiner langen Liste?«, fragte er.
    Sie blickte mit ihren kastanienbraunen Wimpern zu ihm auf und musterte ihn eingehend. »Darf ich
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