Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stoerfall in Reaktor 1

Stoerfall in Reaktor 1

Titel: Stoerfall in Reaktor 1
Autoren: Wolfram Hänel
Vom Netzwerk:
meint, Menschen zu erkennen, die aufgeregt hin und her laufen. Viele Menschen, mehr als normalerweise um diese Zeit im AKW sein dürften.
    Er merkt, wie sich Jannik neben ihn stellt. Als der Freund ihm die Zigarettenschachtel hinhält, greift Lukas zu, ohne nachzudenken. Jannik gibt ihm Feuer. Schon nach dem ersten Zug wird Lukas schwindlig. Er lässt die Zigarette fallen und tritt sorgfältig die Glut aus.
    Â»Alles okay mit dir?«, fragt Jannik. Gleichzeitig erstirbt das Sirenengeheul mit einem letzten, klagenden Jaulen, Janniks Frage bleibt viel zu laut in der plötzlichen Stille hängen. Wie ein verzweifelter Ruf nach Hilfe, denkt Lukas, bevor er eine Antwort gibt.
    Â»Ich mach mir gerade Sorgen, ob Alex wirklich ohne Probleme wieder aus dem Rathaus rauskommt. Wenn sie ihn erwischen, sind wir dran.«
    Â»Dein Handy ist eingeschaltet?«
    Lukas nickt. Dann holt er das Handy aus der Tasche. Die SMS muss gekommen sein, als sie noch auf dem Moped waren und er das Vibrieren nicht gemerkt hat. Er öffnet die Nachricht, in der nur ein einziges Wort steht: »Bingo!«
    Jannik blickt über Lukas’ Schulter auf das Display. »Alles klar. Wahrscheinlich ist er schon wieder zu Hause.« Er boxt Lukas mit dem Ellbogen gegen den Arm. »Mann, Alter, wir haben es geschafft! Wir haben ihnen echt die Hölle heißgemacht! Es wird eine Weile dauern, bis sie merken, dass das Ganze nur ein Fake war und sie sich wieder einkriegen können. Au Mann, was ist das?«
    Jannik deutet zur Landstraße hinüber, von wo sich eine Kolonne schwerer Fahrzeuge nähert, die Scheinwerferkegel bohren sich gespenstisch in die Nacht. Feuerwehr, denkt Lukas, vielleicht auch das Technische Hilfswerk. Oder die Bundeswehr? Aber das kann nicht sein, die können so schnell noch nicht hier sein. Das passt nicht. Gleichzeitig taucht plötzlich ein Hubschrauber am Himmel auf …
    Â»Hammer«, stößt Jannik hervor. »Wo kommen die so schnell her? Das sieht aus wie ein Armee-Hubschrauber, was soll das?«
    Als die Fahrzeugkolonne den Ort passiert und dann zum AKW abbiegt, werden bereits die ersten Autos zwischen den Häusern gestartet.
    Â»Hammer«, wiederholt Jannik. »Da versuchen schon welche, abzuhauen. Von den Feriengästen wahrscheinlich. Voll die Panik! Mann, stell dir mal vor, was los wäre, wenn es wirklich einen Ernstfall gäbe!«
    Â»Lieber nicht«, sagt Lukas leise. »Los, komm, wir sollten zusehen, dass wir nach Hause kommen. Bevor unsere Alten mitkriegen, dass wir gar nicht da sind.«
    Â»Haben sie wahrscheinlich längst. Aber wir bleiben bei unserer Geschichte: Als die Sirene losging, sind wir rausgerannt, um zu gucken, was passiert ist. Und dann haben wir uns zufällig getroffen …«
    Sie steigen auf das Moped und rollen ohne Licht den Feldweg hinunter, der hinter dem Grundstück von Janniks Eltern endet. Fünf Minuten später steht die Maschine wieder im Schuppen, das Megafon verstecken sie in dem ausrangierten Kühlschrank, den Janniks Vater immer noch nicht zur Müllkippe gebracht hat. Als sie die Kette mit dem Vorhängeschloss wieder angebracht haben, huscht ein schwarzer Schatten an ihnen vorüber. Sie zucken unwillkürlich zurück.
    Â»Nur eine Katze!«, sagt Jannik leise.
    Â»Schon klar«, meint Lukas.
    Von den Häusern herüber dringt aufgeregtes Stimmengewirr, alle Fernseher laufen, aber statt der erhofften Nachrichten gibt es nur eine Comedy Show mit Mario Barth und Atze Schröder. Eine Spielfilm-Wiederholung aus dem Abendprogramm: Steven Seagal. Einen Softporno. Und einen Naturfilm über die Eisbären in der Arktis, denen die Schollen unter dem Hintern wegschmelzen.
    Die Hunde im Dorf bellen ohne Unterlass. Auf der Straße schiebt sich eine hupende Kolonne an Fahrzeugen vorbei, ein Polizeiwagen überholt mit gellendem Martinshorn, um sie am Ortsausgang zu stoppen. Aus der Gegenrichtung kommt ein Krankenwagen.

Zwei
    Eigentlich war das Ganze Janniks Idee gewesen. Die Leute noch mal aufrütteln. Sie eiskalt erwischen. Sie genau da treffen, wo es wehtut, wo es ans Eingemachte geht. Vor allem die Touristen.
    Â»Wenn die Touris Panik kriegen, ist es das Beste, was uns passieren kann«, hatte Jannik gesagt. »Das spricht sich rum. Dann müssen sie hier was machen, sonst sehen sie alt aus.«
    Und die Touris haben wirklich Panik gekriegt. Die, die nicht in derselben Nacht noch abgehauen sind, haben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher