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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Pflicht!
    Er ließ sich Jens-Uwe Wätjen vorführen.
    Wätjen sah blaß aus, war aber gefaßt. Es war ihm klar, daß alle Indizien gegen ihn sprachen. Der Anwalt, den Buth ihm geschickt hatte, war derselben Ansicht gewesen. Aber sie hatten sich eine Marschroute zurechtgelegt, die einen gewissen Erfolg versprach. Schön, um einige Zeit im Gefängnis kam er nicht herum, auch wenn man ihn als »Vollstrecker der Volksmeinung« aufbaute, wie der Anwalt es ausdrückte. Aber er konnte ganz sicher sein, daß Buth nicht nur für den materiellen Schaden aufkam, den er angerichtet hatte, sondern ihm auch hinterher ein angenehmes Leben sicherte. Das Kind war zwar in den Brunnen gefallen, aber nicht ersoffen. Drei Jahre von Lilo getrennt – schrecklich! Aber dafür im Anschluß daran drei Monate Spanien, Portugal und Griechenland. Das ließ sich schon einfädeln. Er verhinderte einen Großbrand in der Firma und Buth belohnte ihn dann dafür…
    „Was haben Sie mir nun zu sagen, Herr Wätjen?“
    „Ich bin Vorsitzender eines Vereins, zweiter Vorsitzender, in dem wir uns mit allen unseren Kräften um das Wohl unserer Kinder kümmern, wo wir Menschen aus ihnen machen, die an Leib und Seele gesund sind. Und da kommen nun solche Schmutzfinken wie dieser Lemmermann und diese Marciniak nach Bramme und versauen uns unsere Kinder! Das konnte ich nicht mitansehen.“
    Kämena war von Wätjens Eifer beeindruckt. Der Mann sprach ihm aus dem Herzen. Er, Kämena, hatte die Gesetze zu schützen, ja. Aber wenn diese Gesetze nun Mist waren? Andererseits, wenn er die Sache hier im Sande verlaufen ließ, war er seinen Posten los. Also mußte er wohl oder übel… ?
    „Sie geben also zu, Herr Wätjen, daß Sie…“
    „Ja. Ich wollte Lemmermann einen Denkzettel verpassen. Ich wollte noch weitergehen als der andere, der ihm nur die Schaufensterscheiben zerschmissen hat. Das reichte mir nicht. Aber natürlich wollte ich nicht, daß er… eh, verunglückt. Wie konnte ich denn ahnen, daß er sich um drei Uhr nachts in seinen Wagen setzt!“
    „Natürlich“, murmelte Kämena. Mein Gott, einen so sympathischen Menschen wie Wätjen mußte er nun hinter Gitter bringen; aber die Zuhälter hinten am Golfplatz und an der Parkallee, die konnten ungestört weitermachen; ihre Pferdchen auch.
    Wätjen sprach weiter: „Und diese rote Hure da aus Berlin, die ist ja noch schlimmer! Schnüffelt überall rum, zersetzt alles. Im Albert-Schweitzer-Gymnasium, sagt meine Tochter, wollen sie mit ihr und ihren sauberen Kollegen diskutieren; die Lehrer haben schon zugestimmt… Schweinerei, so was! Hängt mit der Meinhof zusammen und darf unsere Kinder verderben!Da sollten Sie mal eingreifen, Herr Kommissar! Dann brauchten wir Bürger nicht alles selber zu machen.“
    Kämena machte sich Notizen. „Sie haben also Fräulein Marciniak das Krebsfleisch in die Tasche gesteckt, sie mit dem Wagen bedroht…“
    „War doch nur ein Bluff!“
    „… ihr den Stein ins Fenster geworfen und sie am Telefon aufgefordert…“
    „Sie muß aus Bramme verschwinden!“

 
    15
     
     
     
    Regenschauer peitschten über die Wiesen, als Katja am frühen Abend zu Trey hinausfuhr. Die Scheibenwischer schafften es kaum. Treys Bungalow lag etwa zehn Kilometer vom Rathaus entfernt im äußersten Zipfel der Stadt, genauer gesagt zwischen der Gemeinde Uppekamp und dem Brammer Westfriedhof. Man mußte hinter dem TSV-Stadion rechts abbiegen und dann ein Weilchen am Deich entlangfahren. Die Stadt verlor sich langsam im Umland.
    Der Nachmittag in Worpswede war schön gewesen; Worpswede mit seinen Galerien und dem Spaziergang auf dem Weyerberg; nur hatte die Diskussion über Bernhardas Argumente zu einigen Spannungen geführt. Corzelius schien nun auch an Kossacks Vaterschaft zu zweifeln, während sie selber… Jedem anderen hätte sie eher geglaubt als dieser… dieser… diesem Dragoner. Waren doch alles nur Vermutungen, was sie da vorbrachte!
    Daß Kossack impotent sein sollte, war nichts weiter als üble Nachrede. Und wenn er’s wirklich war, brauchte er’s im Jahre 1949 nicht auch schon gewesen zu sein.
    Daß die Liebe zwischen ihm und ihrer Mutter schon vorher gestorben sein sollte, war lediglich durch Bernhardas Tagebucheintragung belegt. Aber wer sagte denn, daß Bernharda alles richtig wahrgenommen hatte? Wahrscheinlich hatte sie den beiden ihr Glück geneidet und sie gehaßt. Und um ihren Neid und ihren Haß zu bewältigen, hatte sie alle Realität verdrängt und sich eingeredet,
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