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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel
Autoren: Andreas Götz
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Tür stehen. Und so, dachte er, endet die kurze Geschichte zwischen Sascha und Joy, noch ehe sie begonnen hat.

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    »UND WAS HABEN sie dir angetan, Tristan?« Ihre Worte hallen in dem leeren Raum unangenehm nach.
    Ich winke ab. »Das willst du nicht wissen.«
    »Doch. Drum frag ich ja.«
    »Nee, willst du nicht!«
    Sie blinzelt erst, guckt dann auf ihre Knie. Wahrscheinlich war ihr meine Abfuhr zu schroff. Obwohl ich nur einen Hauch lauter war als normal. Aber sie ist ja so verletzlich.
    Sie zieht etwas aus der Hosentasche und legt es von einer Hand in die andere und wieder zurück … Fängt an zu nerven.
    »Was hast du da?«
    »Das hier?« Sie hält es hoch. Ein glitzerndes Herz in einer Plastikkugel, die an einem Kettchen hängt. »Nur ein Schlüsselanhänger.«
    »Ist aber kein Schlüssel dran.«
    »Das hat mir meine beste Freundin geschenkt. Ist aber schon ewig her.«
    »Schmeiß es weg.«
    »Warum?«
    »Du sollst es wegschmeißen!«
    Sie sieht mich an, als hätte ich von ihr verlangt, ihr liebstes Haustier zu ertränken.
    »Du brauchst keine Freundinnen mehr. Du hast mich. Ich bin der einzige Mensch, den du noch brauchst.«
    Traurig sieht sie das Herz an der Kette an.
    »Gib es mir. Ich schmeiß es für dich weg.«
    »Nein! Ich werfe es zu Hause weg.« Das ist natürlich gelogen. Aber ich belasse es dabei. Sie steckt das blöde Ding zurück in die Hosentasche. »Echt coole Location, übrigens«, sagt sie, um davon abzulenken. »Dass einer anfängt, ein Haus zu bauen, und dann mittendrin einfach aufhört und alles so stehen lässt. Ist doch komisch, oder?«
    Ich zucke die Schultern. »Dem ist wohl die Kohle ausgegangen. Vielleicht ist ihm auch seine Frau weggelaufen. So was kommt vor. Oder es ist jemand gestorben.«
    Sie steht auf und klopft sich den staubigen Po ab. Dann wandert sie im Raum umher, in dem es außer Beton und nackten Ziegeln nichts gibt. Sie lässt die Blicke schweifen. »Echt cool«, sagt sie. »Schau mal, unsere Couch. Weißes Leder, superweich. Und ein Sessel. Da sitzt du immer, das ist dein absoluter Lieblingsplatz. Da drüben an der Wand hängt unser Flachbildfernseher. Ein Riesenteil mit tausend Funktionen. Da kannst du Actionfilme gucken und Sport.«
    »Ich mag keine Actionfilme und keinen Sport. Ich mag nur dich anschauen. Den ganzen Tag. Du bist so schön, mein süßer Engel. Hab ich dir das schon gesagt?«
    »Andauernd. Trotzdem: Nicht aufhören.«
    Ich ziehe sie an mich und küsse sie. Spürt sie gar nicht, dass ich innerlich kalt bin? Oder macht sie gerade das so heiß? Mit Alina ist es zum Glück anders als mit Sarah. Sie muss nicht dauernd diese ekligen Zungenküsse haben. Sex ist für sie kein Thema. Sie hat eine große Scheu vor allem, was damit zu tun hat. Zumindest tut sie so. Auch jetzt macht sie sich rasch wieder los.
    »Hörst du das? Das sind unsere Kinder. Unten im Garten, sie spielen. Björn und Anselm. Wie findest du die Namen? Oder hättest du lieber Mädchen? Fiona und Franziska? Wie wäre das?« Sie geht auf den Balkon, ruft: »Fiona! Anselm! Nicht streiten! Kommt rein! Essen ist gleich fertig!«
    Sie da draußen stehen zu sehen, erzeugt ein Kribbeln in meinem Bauch. Ich richte mich auf.
    »Komm du lieber rein, bevor du noch abstürzt.«
    Sie kommt sofort. Daran hat sie nicht gedacht: dass etwas gefährlich sein könnte. Sie ist so dumm. So naiv. Ein Lächeln strahlt mich an aus ihrem Madonnengesicht. Es erreicht mich nicht. Nichts von dem, was sie sagt oder tut, erreicht mich. Dazu müsste ich schon vergessen, wer oder was sie ist, und bevor das passiert, friert eher die Hölle zu.
    Trotzdem möchte ich etwas darauf sagen, etwas, das sie hören will, aber ich finde in mir nur Worte, die sie verschrecken würden. Deshalb schweige ich und sehe bloß zu, wie sie an das Fenster auf der anderen Seite geht.
    »Boah!«, ruft sie dort. »Das ist so geil! Ein Pool. Komm, mein Schatz, wir gehen schwimmen.«
    Bevor ich sie aufhalten kann, ist sie schon hinaus, und ich höre nur noch ihre Schritte auf der Treppe. In ihren depressiven Phasen ist sie mir wesentlich lieber, so ist sie ganz schön anstrengend mit ihrem Geplapper und Getue. Ich hebe meinen Rucksack auf, hänge ihn mir über die Schulter und folge ihr.
    Das, was sie einen Pool nennt, ist nur ein betoniertes Loch. Sie sitzt am brüchigen Rand, lässt die Beine baumeln und strahlt mich an. Kaum bin ich bei ihr, rutscht sie in die Grube hinab, läuft darin hin und her und macht dabei mit ihren Armen weit
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