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Stille Nacht: Ein Fall für Hubertus Hummel (German Edition)

Stille Nacht: Ein Fall für Hubertus Hummel (German Edition)

Titel: Stille Nacht: Ein Fall für Hubertus Hummel (German Edition)
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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Bürger unserer Stadt. Und: Er ging früher mal auf unser Gymnasium!«
    »Du bist heute unerträglich, Huby«, unterbrach ihn Klaus.
    Mit einem weiteren Satz auf einhundertneununddreißig Meter bei einwandfreier Telemarklandung und besten Haltungsnoten hatte Schmitt die etwas verkorkste Vorsaison vergessen gemacht.
    »Jetzt geht’s los!«, skandierte das Publikum, denn einen Trumpf hatten die deutschen Adler noch auf dem Turm stehen: Severin Freund, der nun unter dem lang gezogenen »Ziiieh«-Ruf seiner Fans über den Schanzenbuckel hechtete. Der Sprung wurde länger und länger. Dann setzte er auf, allerdings mit einem einfachen »Haferlaufsprung«, wie Georg Thoma gesagt hätte. Und der Onkel von Dieter Thoma war immerhin 1960 Olympiasieger in der Nordischen Kombination gewesen.
    Als der Stadionsprecher die hundertfünfundvierzig Meter verkündete, war klar, warum Freund den eleganten Ausfallschritt nicht mehr geschafft hatte. »Das ist neuer Schanzenrekord und die Führung für Severin«, tönte es jubelnd aus den Lautsprechern. Die Abzüge bei den Haltungsnoten hielten sich in Grenzen.
    Thomas Morgenstern landete kurz darauf bei nur hundertfünfunddreißig Metern und auf Platz zwei. Jubelnd rannte Severin Freund in den Auslauf und streckte seine breiten Skier unter den Ovationen der fünfundzwanzigtausend Zuschauer triumphierend in die Höhe.
    Auch Hummel und Riesle waren im Siegestaumel und klatschten sich mit beiden Händen wie zwei Teenager ab. Hubertus ertappte sich sogar dabei, wie er bei einem »Severin, Severin, Skisprung-Gott« mitskandierte. Das Ganze hatte zudem den angenehmen Nebeneffekt, dass die umstehenden Besucher vor lauter Euphorie die unfreiwilligen Showeinlagen von Hubertus vergessen hatten.
    Im überfüllten Zug zurück nach Villingen machte nicht einmal Klaus Anstalten, seinen Freund wegen der peinlichen Ereignisse aufzuziehen. Auch Hubertus dachte nicht mehr an den Fauxpas, ja, er überwand vor Freude sogar seine durch den Mord bedingte Abneigung gegen Züge. Als Eisenbahnersohn würde er auch zukünftig Bahn fahren – Mord hin oder her.

6. BUDENZAUBER
    Hubertus kämpfte sich den Hügel empor. Da er mit den Beinen fast vollständig in der weißen Pracht einsank, schätzte er die Schneehöhe auf einen knappen Meter. Das dürfte ein neuer Jahrhundertrekord sein, dachte er, während er sich, oben angekommen, den Schnee von der Kleidung klopfte. Er wollte unbedingt einen Blick auf sein Heimatstädtchen Villingen in der Morgensonne erhaschen. Und den besten bekam man nun mal entweder vom eisernen Aussichtsturm oder hier vom Magdalenenbergle, einem ehemaligen Keltengrab, das früher als Hexentreff und Hort eines Schatzes bekannt gewesen war. Archäologen hatten dort Ende des 19. Jahrhunderts ein keltisches Fürstengrab entdeckt.
    Der kreisrunde Hügel erhob sich über der Südstadt. Manches Mal war Vater Hummel hier mit seinem Sprössling im Winter Schlitten gefahren. Hubertus erinnerte sich, wie er erst mit dem alten braunen Holzschlitten, später dann mit einem roten, besonders schnittigen Bob hinuntergesaust war.
    Wie lange mochte das her sein?
    Fast vierzig Jahre. Kaum zu fassen.
    Um nach den anstrengenden Erlebnissen vom Vortag einen freien Kopf zu bekommen, hatte sich Hummel nach dem Frühstück zu einem raschen Spaziergang entschlossen.
    Allein, denn Martina hatte es, wie so oft, abgelehnt, ihrem Vater Gesellschaft zu leisten. »Sonntagsspaziergang? Ist doch uncool, mit seinem Alten rumzulaufen«, hatte sie gesagt. Sie war erst gegen drei Uhr morgens nach Hause gekommen – der Freund ihrer Freundin habe sie gefahren, lautete die Hubertus kaum zufriedenstellende Erklärung.
    Hummel blinzelte in den azurblauen Himmel.
    Von der Stadt ertönte Glockengeläut.
    Er blickte auf seine alte Armbanduhr aus solider Schwenninger Produktion, die ihm einst sein Großvater vermacht hatte.
    Kurz vor zehn. Höchste Zeit, sich auf den Weg in Richtung Altstadt zu machen, denn um halb elf war er mit Klaus verabredet.
    Er atmete tief durch, bevor er den weißen und mittlerweile von Spuren zerfurchten Buckel hinunterrutschte und sich eilig in Richtung Innenstadt aufmachte.
    Während seines Fußmarsches rekapitulierte er noch mal den Vorabend, an dem er nach dem Skispringen mit Burgbacher und Riesle erneut einen Besuch bei der Polizeidirektion absolviert hatte.
    Wenigstens Klaus und Hubertus waren sich nun weitgehend einig über die gesuchte Person gewesen: Kein Wunder, sie hatten sie ja kurz zuvor beim
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