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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel
Autoren: Sergej Lukianenko
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viel hast du heute getrunken?«
    Anscheinend musste ich Farbe bekennen. »Ein halbes Bier.«
    Der Arzt drohte mir mit dem Finger und langte nach dem Alkoholdetektor auf dem Tisch.
    »Wenn du mehr als zwei Gläser getrunken hättest, würde ich dich heute nirgendwo hinlassen! Atme aus!«
    Gehorsam pustete ich in das Röhrchen.
    »Noch mal«, verlangte der Arzt mit einem Blick auf die Skala.
    Ich atmete tief aus, wie ein Sprinter nach dem Rennen.
    »Sag mal, war dein Bier ein Kefir?«, wollte der Arzt wissen. »Tüchtig! Normalerweise unternehmen unsere Jungs doch alles, um das allgemeine Vorurteil zu bestätigen: Russen besaufen sich vor jedem Start!«
    »Gestern … da habe ich auch etwas übertrieben«, gab ich zu.
    »Wie viel?«
    »Drei Gläser.«
    Die Krankenschwestern und der Arzt sagten kein Wort. Nach einer Weile steckte der Arzt sein Instrument in die Tasche. »Ein interessanter Fall«, bemerkte er nachdenklich. »Wo sind deine Papiere?«
    Er drückte einen Stempel auf die Karte, unterschrieb und fuhr mit dem Codierungsring über den Streifen des Magnetindikators. »Bist du schon lange dabei?«, erkundigte er sich.
    »Seit zwei Jahren.«
    Die eine der beiden Krankenschwestern kicherte ungläubig, die andere schenkte mir ein Lächeln. Was für eine angenehme Frau …
    »Schau ruhig öfter mal bei uns rein«, forderte der Arzt mich auf. »Ich schreibe gerade meine Dissertation, zum Thema ›Der Einfluss extremer extraterrestrischer Bedingungen auf die Verhaltensimperative‹. Dafür brauche ich markante Beispielfälle.«
    »Kommt drauf an, was meine Linie entscheidet. Allerdings mag ich diesen Planeten nicht besonders«, gab ich zu. »Es ist zu heiß. Und die Bevölkerung ist ziemlich … verschlossen.«
    »Dass die nicht zu Scherzen aufgelegt sind, ist doch kein Wunder! In einer Woche beginnt für sie die Jahreszeit der kollektiven Euthanasie«, brummte der Arzt. »Die Larven sind inzwischen herangereift, jetzt muss freier Raum her. Gut, lassen wir das … Petja. Guten Flug.«
    »Danke.« Ich zog mich rasch Richtung Tür zurück.
    »Hast du wenigstens ein paar Souvenirs gekauft?«, fragte der Arzt.
    »Klar«, antwortete ich, indem ich gegen die Tasche meiner Jacke klopfte. Die beiden Krankenschwestern kicherten verlegen.
    »Komm wirklich mal wieder vorbei, Petja«, wiederholte der Arzt nach einer kurzen Schweigepause.
    »Mach ich, Kostja.« Damit verließ ich den Raum.
    Das war’s. Das größte Problem war gelöst, die Erlaubnis hatte ich.
    Ich ging rüber zum Gebäude des Kontrollzentrums. Dort wimmelte es von Marinesoldaten, weshalb ich meine Papiere herausholen und sie in der Hand behalten musste. Ich suchte ewig nach einem freien Schalter. Schließlich fand ich einen mürrischen Typ, der meine Daten in den Computer eingab und die letzten Punkte der Erlaubnis abzeichnete. Mein Schiff wurde inzwischen durchgesehen und aufgetankt. Ich händigte dem Typen hinterm Schalter Gutscheine über zweieinhalb Tonnen Kerosin aus und bestätigte, keinerlei Mängel zu beanstanden.
    Damit dürfte nun wirklich alles geregelt sein.
    Bis zum Start blieben mir noch anderthalb Stunden. Ich hätte zwar um einen Elektrocar bitten können, zog es aber vor, zu Fuß zum Schiff zu gehen. Wer weiß, wann es mich das nächste Mal nach Hyxi verschlug.
    Diesmal hatte mich eine einfache und problemlose Fracht hierhergebracht. Bilder. Kleine Dinger, wie sie jeder kennt, fünfzehn mal zehn Zentimeter, in einem Holzrahmen und unter Glas. Jedes zeigte einen Ausschnitt vom Meer mit Bäumen am Ufer, dem Mond am Himmel und einem silbrigen Streifen auf dem Wasser. Die Maler gaben sich alle Mühe, die größtmögliche Abwechslung in sie hineinzubringen, weshalb manchmal ein paar Segel aufblitzten, Vögel am Himmel flogen oder sich Wolken vor den Mond schoben. Dergleichen könnten sie sich getrost sparen, denn der Blick der Hyxoiden ist unserem weit überlegen. Ihnen genügt jene Individualität, die das Bild durch ein aus dem Pinsel herausragendes Haar oder einen Fingerabdruck in der Tempera erhält, vollauf.
    Auf dem Rückweg sollte ich sogar eine noch ödere Fracht aufnehmen, nämlich Kortrisonplatten. Anscheinend galten sie bei den Hyxoiden ebenfalls als Ziergegenstand. Auf der Erde stellte man aus ebendiesen Platten jedoch die besten Schusswesten oder Schutzhüllen für neue Schiffstypen her. Die Hyxoiden protestierten nicht gegen diese Verwendung, obwohl sie sich durchaus auf das Gesetz zur Unsachgemäßen Anwendung hätten berufen können.
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