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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten
Autoren: Sergej Lukianenko
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Teil des Schattens geworden waren. Wie seltsam sich das gefügt hatte: Obwohl wir den Schatten nicht wollten, ihn ablehnten, waren wir dazu verdammt, sein entscheidendes Geschenk zu akzeptieren. Die nie endende Wahl. Trotzdem hätte ich das nicht gekonnt. Ich hätte es nicht fertiggebracht zu warten – wenn ich nicht mehr an die Rückkehr glaubte.
    Ich war ja immerhin unterwegs gewesen. Ohne zu glauben, ohne zu hoffen – aber wenigstens hatte ich mich bewegt.
    Ich kletterte den Hang hinunter, hielt auf jene Stelle zu, wo im Sternenschatten die Facetten des Schiffs der Liga funkelten. Es lag auf dem Boden und erinnerte an ein schlafendes Tier, an ein Tiefseemonster am Meeresgrund. Das Schiff kam mir fremd vor, es sprach nichts in meiner Seele an. Ein totes Stück fremden Eisens.
    Die Figuren der Menschen, die am Lagerfeuer saßen, boten mir den einzigen Orientierungspunkt, auf den ich mich zubewegen, den ich spüren konnte.
    Selbstverständlich brannten sie kein Holz ab. Auf dem Irrstern des Schattens gab es kein Leben, würde es wahrscheinlich auch nie welches geben. Schließlich musste es doch wenigstens eine Welt ohne die geringste Spur von Leben geben. Das Lagerfeuer mit seiner gleichmäßiger Flamme nährte sich von weißen, gleich aussehenden Stangen. Anscheinend mochte auch die Handelsliga ein lustiges Feuerchen.
    Ich setzte mich zu ihnen und streckte die Hände zum Feuer aus.
    »Wer bist du diesmal?«, fragte mein Großvater.
    Unsere Blicke trafen sich.
    »Nik Rimer ist fortgegangen. Endgültig.«
    Mein Großvater nickte. »Und du? Wer bist du?«
    »Dein Enkel, Großvater.«
    Ich betrachtete ihre Gesichter. Wahrscheinlich war es nur gerecht, dass ich sie verraten, sie verlassen hatte, fortgegangen war – und zurückgekehrt.
    Wenn sie mir verzeihen, wären wir quitt.
    Mein Großvater umrundete das Feuer, setzte sich neben mich und legte den Arm um mich. »War es sehr schwer, Pit?«
    Ich nickte. Ja, das war es gewesen. Natürlich. Einen fremden Traum zu morden, ist immer schwer. Vor allem wenn es auch deiner war … teilweise.
    »Die Geometer sind im Schatten, Großvater. Nik Rimer hat es so entschieden.«
    Mascha kam zu uns und legte mir die Hand auf die Schulter. »Und, Petja? Hat sich der Samen wieder geteilt?«
    »Ja.« Ich ließ die Feuerkugel über meine Hand rollen. »Genau das hat er getan, er hat sich geteilt.«
    Der Zähler ging direkt durchs Feuer. Er hielt es nicht länger für nötig, uns etwas vorzuspielen. Er legte sich zu meinen Füßen hin und hob das dreieckige Gesicht. »Frag den Cualcua, Pjotr. Wie viel Zeit bleibt uns noch?«
    »Keine«, antwortete ich unbekümmert. »Gar keine. Die Starken Rassen sind bereits zusammengekommen, um eine Entscheidung zu treffen. Wir schaffen es nicht mehr rechtzeitig. Unter gar keinen Umständen. Niemand kann sich im Bruchteil von Sekunden durch den Raum bewegen. Bevor wir die Zitadelle erreichen, werden die Starken Rassen die Erde vernichtet haben und über die Geometer hergefallen sein. Sie tun mir wirklich leid. Sie haben es sowieso schon nicht leicht.«
    »Warum müssen wir zur Zitadelle?« Mein Großvater runzelte die Stirn. »Willst du etwa vor die Starken Rassen treten und ihnen klarmachen, was für nette Kerle wir sind?«
    »Ich weiß, dass das dumm ist. Aber zur Erde kommen wir auch nicht schneller. Und was könnten wir da schon ausrichten?«
    »Aber der Samen …«
    »Nimm ihn!« Ich legte den Samen in die Hand meines Großvaters. »Bringst du es vielleicht fertig, die Erde dem Schatten zu übergeben?«
    »Nein. Aber schließlich hast du ihn ja auch bekommen!«
    »Nein, Großpapa, nicht ich habe ihn bekommen. Den ersten hat Nik Rimer erhalten, der für seine Heimat keinen anderen Ausweg gesehen hat. Und den zweiten … den hat sich der Cualcua genommen. Das war ein völlig natürlicher und unkomplizierter Schritt für ihn. Je größer der Raum ist, umso besser für ihn.«
    Nur Danilow schwieg und betrachtete mich von der anderen Seite des Lagerfeuers. Er schien enorm gealtert, der Abgott der Transaero. Hohlwangig und bleich, als seien alle Kräfte aus ihm herausgepresst worden.
    Dafür nickte er als Erster, um zu signalisieren, dass er verstanden habe.
    »Der Schatten kommt zu denjenigen, die ihn wollen«, erklärte ich geduldig. »Niemand von uns ist imstande, ihn anzunehmen. Denn wir haben viel zu viele schreckliche Welten in dieser Lotterie gewonnen. Und selbst wenn wir den Samen zur Erde bringen, wird er nicht wachsen. Wir sind einfach nicht
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