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Sternenfaust - 097 - Erkenntnisse

Sternenfaust - 097 - Erkenntnisse

Titel: Sternenfaust - 097 - Erkenntnisse
Autoren: Susanne Picard
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Nennen Sie mir baldmöglichst die Zeit, zu der wir dort eintreffen.«
    »Aye, Ma’am.«
     
    *
     
    Kalter Wind pfiff um die Ruinen von Eranaar, doch er und der Andere in ihm spürten ihn nicht. Er und die Seinen, die hier waren, um das Wissen über Eranaar zu konservieren, waren nicht von der Witterung abhängig. Davon abgesehen würden sie nur noch kurze Zeit hier verbringen, dann würden auch sie sich dem großen Ruf anschließen und dem Ziel der Reise entgegenziehen.
    Doch noch war die Arbeit hier nicht getan. In jeder Generation wurde das Wissen von Eranaar und den anderen Heiligtümern in das Große Gedächtnis übertragen, doch diesmal war das anders. Eranaar war einst ein großes Heiligtum gewesen, es musste für die, die ohne einen Anderen auskommen mussten und dem Ruf deshalb nicht folgen durften, präpariert und das darin enthaltene Wissen konserviert werden.
    Die Ruinen durften nicht weiter verfallen, auch wenn sich die Lebensweise derjenigen radikal ändern würde, die ohne einen Anderen leben mussten.
    Ein schrecklicher Gedanke keimte in ihm auf. Was, wenn Heiligtümer wie das von Eranaar dann vielleicht ihre Bedeutung verloren?
    Nein, wisperte der Andere in ihm. Es ist nicht wichtig, ob die Deinen je die Gemeinschaft mit einem Anderen kennenlernen werden. Wichtig ist, dass sie ihr Leben leben, denn ihr Leben wird weitergehen. Und was ist schon ein Leben ohne Traditionen? Gerade weil sie in Zukunft ihr Leben werden allein meistern müssen, werden die Traditionen ihnen Stabilität bringen und ihnen helfen.
    Wir machen es ihnen schwer, antwortete er, während er seine Fingerspitzen auf einen mit wunderbaren, uralten und immer wieder wunderschönen Symbolen verzierten Stein legte, der von der Geschichte der Anderen und von ihren Wegen erzählte und von der Zeit, in der sie begannen, sich mit den Seinen zu verbinden. Er fuhr die Schnitzereien im Stein mit den Fingerspitzen behutsam nach und übertrug so ihre Bedeutung und all ihren Inhalt auf diese Weise an das Große Gedächtnis.
    Die Deinen sind Lebewesen wie du und ich, sprach der Andere weiter. Eranaar erzählt von der Zeit, in der unsere Völker noch getrennt lebten. Und es war eine gute und keine schlechte Zeit. Keines unserer Völker ist besser oder schlechter als das andere, das weißt du doch.
    Aber das Leben ist mit euch so unendlich viel reicher, widersprach er. Und wenn wir, du und ich und alle, die einen Anderen in sich tragen, dem Ruf gefolgt sind, werden die Meinen ärmer sein. Ich frage mich, wie sie das ertragen sollen.
    Siehst du, und deshalb erhalten wir Heiligtümer wie Eranaar. Wir müssen alles, wofür es steht, was es ist, in das Große Gedächtnis übertragen. Die Deinen werden lernen, die Informationen, die darin enthalten sind, zu lesen und stolz auf sich selbst zu sein und nicht nur darauf, sich mit uns zu verbinden.
    Er schwieg. Der Andere hatte recht, die Arbeit war gut und musste getan werden. Erst dann durften er und alle, die einen Anderen in sich trugen, gehen und dem Ruf folgen. Er vertiefte sich erneut in die heilige Arbeit und legte die Fingerspitzen an eine andere Stelle des kunstvoll geschnitzten Steins. Er konzentrierte sich auf die durchscheinend weiße Farbe der Mauern und Säulen, die blassrosa und grauen Adern, die den Stein durchzogen, seine kühle, perfekt polierte Glätte und die auch nach Jahrtausenden immer noch scharfen Kanten der Symbole. Die Zeit hatte den Reliefs nichts von ihrer Schönheit genommen. Beinahe tat es ihm leid, dass er bald dem Ruf folgen und dann diese Schönheit nicht mehr würde genießen können.
    Nachdem er die Geschichten und Legenden, von denen dieser Stein berichtete, in das Große Gedächtnis übertragen hatte, sah er sich wieder um. Nichts war zu hören außer dem Heulen des Windes. Eranaar lag auf einem perfekt gerundeten Hügel in einer Wüstenebene. Der weiße Stein, aus dem es einst erbaut worden war, hob sich klar und rein vom braungrauen Einerlei der kargen Sanddünen ab. Am Horizont waren die Berge zu sehen. Die Sonne war soeben untergegangen und ihre letzten Strahlen überzogen die schneebedeckten Gipfel des Mar’nuun’bak-Gebirges mit einem rosa Hauch. Er wandte sich um und sah nach Norden. Die Ringe, die den Planeten Zash’tuun umgaben, glitzerten im schwindenden Licht des Abends hauptsächlich silbern und ließen die weißen Säulen des Eranaar-Heiligtums auf geheimnisvolle Weise leuchten, als trügen sie ein inneres Licht.
    Erinnerst du dich? Früher, so sagt das
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