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Sternenfall: Roman (German Edition)

Sternenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sternenfall: Roman (German Edition)
Autoren: Michael McCollum
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entlässt. Oder soll ich einen Sanitäter rufen und Sie gewaltsam ruhigstellen lassen?«
    »Nein, danke«, erwiderte Thorpe. »Für ein paar Stunden kann ich noch ein braver Junge sein.«
    Thorpe kletterte langsam in das schmale Krankenbett zurück, das den vergangenen Monat über sein Zuhause gewesen war. Dem Wortwechsel mit der Krankenschwester zum Trotz war er im Großen und Ganzen zufrieden. Er hatte vergessen, wie stark die Erdgravitation war. Allein schon die Tatsache, dass er sich auf der Erde befand, bewies, wie nahe er nach dem Unfall dem Tod gewesen sein musste. Die übliche Prozedur vor der Rückkehr in den Bereich normaler Schwerkraft bedeutete die strikte Einhaltung einer Diät und spezielles Training. Andernfalls riskierte man ein Herzversagen. Seine Anwesenheit in einem Krankenbett in den Schweizer Alpen war Beleg genug, dass Herzversagen die kleinste Sorge seiner Retter gewesen war.
    Thorpe erinnerte sich nur bruchstückhaft an seinen Unfall, obwohl ihm ein Monat im Bett viel Zeit gelassen hatte, den Bericht zu lesen. Der Anhebevorgang war perfekt abgelaufen, bis zu dem Zeitpunkt, wo die Kranführer begonnen hatten, die Ladung abzubremsen. Dann hatte sich eine der Seilbremsen festgefressen und das Seil Nummer zwei plötzlich zum Halten gebracht. Die plötzliche Stockung hatte zu viel Zug auf das Seil übertragen und es irgendwo zwischen Turm und Ladung reißen lassen. Von seinem Zug befreit, war das gerissene Seil wie eine Peitsche zurückgeschnellt.
    In einer Beziehung hatte Thorpe Glück gehabt. Wenn das zehn Zentimeter dicke Seil auf ihm gelandet wäre, dann wäre von ihm nicht genug übriggeblieben, um ihn zu identifizieren. Das gebrochene Ende war jedoch hundert Meter von der Stelle herabgestürzt, an der er und Nina gestanden hatten. Die Wucht des Aufpralls zerschmetterte die Seilstränge und schickte eine Wolke von Splittern in ihre Richtung. Ein Stück traf Thorpe genau unterhalb seines rechten Knies, schlug ein Loch in seinen Raumanzug und zerschmetterte sein Bein. Im Anzug war es augenblicklich zu einem Druckabfall gekommen, und bald darauf hatte er das Bewusstsein verloren.
    Stechende Schmerzen in den Augen und Ohren waren normalerweise das Letzte, was ein Opfer rascher Dekompression empfand. Thorpe erinnerte sich, dass er daran gedacht hatte, als er ohnmächtig wurde. In dem Moment, als Nina die Wolke aus rotem Dampf aus Thorpes Bein explodieren sah, begann sie um Hilfe zu rufen. Dann hatte sie den verstellbaren Sicherheitsgurt von ihrem Anzug gestreift und dazu benutzt, um an Thorpes Hüfte eine primitive Aderpresse anzubringen. Die Abbindung hatte so gut dichtgehalten, dass sie Thorpes durchschlagenen Anzug wieder unter Druck setzen konnte. Das Unfallteam war drei Minuten später eingetroffen. Sie hatten Thorpe in einen Rettungsbeutel gesteckt und ihn augenblicklich aufgeblasen. Dann war es nur noch darum gegangen, ihn so rasch wie möglich in ein Krankenhaus auf der Erde zu schaffen.
    »Der Arzt kommt jetzt, Mr. Thorpe.«
    Tom fuhr bei der Berührung einer Hand auf seinem Arm und der plötzlichen Stimme nahe an seinem Ohr zusammen. Er öffnete die Augen und erblickte eine andere Krankenschwester, die sich über ihn gebeugt hatte. Er sah zum Fenster. Dem Winkel des Sonnenlichts nach zu schlie- ßen, musste eine Weile vergangen sein. Seine Überlegungen hatten ihn wohl so müde gemacht, dass er eingeschlafen war.
    Thorpe schaffte es, sich rechtzeitig in eine sitzende Position hochzuziehen, um die vertraute glatzköpfige Gestalt von Dr. Eric Hoffmann mit der ewig unangezündeten Zigarre zwischen den Zähnen durch die Tür treten zu sehen.
    »Guten Morgen, Herr Thorpe. Was macht Ihr Bein?«
    »Es tut weh.«
    »Sehr gut!«, sagte Hoffmann auf Deutsch.
    »Das würden Sie an meiner Stelle nicht sagen.«
    »Ich würde sagen, dass ich allen Grund zur Freude hätte! Erinnern Sie sich, als Sie eingeliefert wurden, waren wir keineswegs sicher, dass wir Ihr Bein würden retten können. Aus diesem Grund wurden Sie ja nach Bern geschickt. Glauben Sie mir, ein schwacher Schmerz ist ein sehr gutes Zeichen.«
    »Es tut aber immer noch weh.«
    Der Arzt unterzog Thorpe einer zwanzigminütigen Untersuchung, die das übliche Pieksen und Knuffen einschloss. Endlich verkündete er ihr Ende mit den Worten: »In Ordnung, Sie können Ihren Schlafanzug ausziehen.«
    »Aber, Herr Doktor, bin ich fit genug, um entlassen zu werden?«
    Der Arzt nickte. »Sie scheinen sich auf dem Wege der Besserung zu befinden. Ihre
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