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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Bestecke, und betrunkene Zecher bringen Robotkellner in Rage und entkommen, ohne zu bezahlen, in die dünne und winterliche Luft, um mit dampfendem Atem durch die Kolonnaden zu torkeln.
    Tausend bunte Spiegelungen der herausgeputzten Fassaden tanzen und glühen auf dem öligen Wasser. Tausend Geräusche prasseln aufs Ohr ein, Dampforgeln und Grillen, Kanonenschläge und Sirenen, und alles vermengt sich mit dem Geplapper und Genuschel vergnügter Stimmen. Selbst das Jaulen eines Polizeiboots, das sich langsam gegen den Strom vorankämpft, vermag sich gegen
den Lärm nicht durchzusetzen. Der Polizist, ein Mensch, stützt sich auf die Sirene, zweimal, und bleibt mit seinem Luftkissenboot stecken. In der schwarzglänzenden Schale seiner Servoarmierung wirkt er steif und hilflos wie ein riesiger, von Ameisen bedrängter Käfer.
    Sie drehten am Mustique Boulevard bei, unter dem Skatestadion. Verlotterte Bälger standen auf der Kaimauer, lutschten dampfende Moosbälle und warfen sich gegenseitig Schimpfworte der übelsten Sorte an den Kopf.
    »Das ist nicht das Möbiusband«, sagte Tabea.
    Die mürrische Schiffsführerin breitete die Hände aus. »Näher heran geht nicht. Der Grande ist wegen des Umzugs gesperrt.«
    Verärgert bezahlte Tabea und sprang leichtfüßig auf den Landesteg. Ihre Jacke blitzte und funkelte im Natriumlicht, die Stiefel knirschten auf den sandigen Bohlen.
    Man stelle sich Tabea Jute vor - nicht wie das Fernsehen sie zeigt, als Heldin des Hyperraums, tüchtig, umsichtig und kosmetisch überzeichnet, während sie kühn lächelnd nach dem gestirnten Nebel der Milchstraße greift; nein, vielmehr als kleine, müde junge Frau in rissiger Folienjacke und ölverschmierter Hose, die sich mit den Ellenbogen verbissen durch eine ausgelassene Schiaparelli-Meute schaufelt. Von der Ferse bis zum Scheitel ganze eins zweiundsechzig groß, breite Schultern, breite Hüften und sechzig Kilogramm bei Normschwere, die sie höchst selten wiegt. Haar vom sattesten Ingwerrot, kurzer und kantiger Schnitt nach alter Raumfahrermanier. Haut wie gewöhnlicher Milchkaffee, leicht gesprenkelt mit Sommersprossen, sehr zu ihrem Leidwesen. So sah sie aus, die Frau, gelandet nach einer langen Durststrecke von Chateaubriand hierher, raumverloren und erledigt, mit dem brennenden Verlangen zu duschen und mit dunklen olivfarbenen Ringen unter den haselnussbraunen Augen. An diesem Abend, unter
all den Aufgekratzten, Kostümierten und Überdrehten, hätte sich niemand nach ihr umgesehen.
    Nicht dass es um sie herum viel zu sehen gegeben hätte. Diese Gegend war zweifellos ein Stiefkind des Karnevals. Tabea duckte sich unter den Gehweg aus Beton hindurch und fand sich zwischen Ständen und Buden wieder, die aus Rohrleitungen und Brettern zusammengeschustert waren. Sie wich dem streunenden Publikum aus. Über den Köpfen hingen biofluoreszierende Leitungen, die sich von Mast zu Mast schwangen, wo sie mit Stricken festgebunden waren. Bis zum Flohmarkt hatte sie es also schon geschafft.
    Manche Händler hatten sich auf den Karneval eingestellt. Die Auslagen quollen über von verschrammten Datensticks und getragenem Synthozeug, dekoriert mit Phosphormasken und bunten Fähnchen. Ausgefallene Kleidungsstücke wurden feilgeboten - von Magnetschuhen bis zu billigen und grellen Elastik-T-Shirts mit wechselnden Motiven. Sammler stöberten in Fächern voller Cyberbrillen oder diskutierten den Wert von geklautem Zeug aus dem Zubehör von Kreuzfahrtschiffen. Zwei knochige Frauen, die assyranisches Bodypainting trugen, malten sich hinter einem Tisch mit chinesischen Keramiktieren in der Wärme eines baufälligen Reaktorofens gegenseitig das Gesicht an. Als Tabea sich vorüberdrückte, pfiff die eine ihr zu.
    Ein ausrangierter Verkaufsroboter beugte sich unter seiner Markise hervor und pfefferte ihr eine Ladung Sublime an den Kopf, dass sie nur noch sonnenbetupfte Teiche sah und mit dem Duft von Jelängerjelieber ein nahezu unstillbares Verlangen inhalierte. Sie dachte sich frei. Ein gelbes Kind versuchte, sie für ein Glas mit toten Fliegen zu begeistern. Sie bog um die Ecke, wo die Altairer in ihren Wolljacken und spitzen braunen Filzmützen über Ansammlungen menschlichen Plunders präsidierten. Sie kauerten
auf hohen Schemeln, in der für sie typischen gramgebeugten Haltung, die Rüssel entzündet und tropfend in der hiesigen Reizluft. Sie näselten und seufzten untereinander und winkten Tabea heran. Sie hatten einen Blick für
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