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Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga

Titel: Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
Autoren: Anne Laureen
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Moment an, bevor sie die Hände wieder sinken ließ, nach dem Dienstmädchen klingelte und fragte: »Wie war deine Reise? Stell die Tasche ab! Rosa soll das Gepäck auf dein Zimmer bringen.«
    Noch während sie ihre Tochter zu dem Tisch führte, an dem die Gäste warteten, erschien Rosa.
    »Rosa, kümmern Sie sich um die Tasche meiner Tochter! Und bringen Sie noch ein weiteres Gedeck!«
    Als das Dienstmädchen die Tür hinter sich geschlossen hatte, entstand ein Augenblick der Stille.
    »Ihre Mutter hat uns erzählt, dass Sie studiert haben«, begann Frau von Hasenbruch, während sich Frau Heinrichsdorf noch ein wenig zurückhielt und sich darauf beschränkte, Ricarda zu mustern.
    Als würde sie nach Anzeichen für eine ansteckende Krankheit suchen, dachte Ricarda. »Ja, das habe ich, Medizin«, antwortete sie, leicht überrascht. Haben Mutters Freundinnen das erst heute erfahren?
    »Ist es nicht ein wenig ungewöhnlich, dass eine Frau studiert? Und noch dazu in diesem Bereich?«
    »Ja, leider, Frau von Hasenbruch. Dabei ist ein Studium für Frauen genauso sinnvoll wie für Männer. Ich wollte außerdem die Familientradition wahren.«
    Ricarda wusste, dass sie ein gefährliches Terrain betreten hatte, denn die Gäste teilten die Ansicht ihrer Mutter, dass eine Frau ins Haus und zu einem Mann gehöre. Der Verweis auf die Familientradition verschlechterte ihre Position zusätzlich. Sie rieb damit Salz in die Wunden ihrer Eltern, denen ein Sohn versagt geblieben war, der die Linie der illustren Mediziner der Familie hätte fortführen können.
    Wieder breitete sich ein unangenehmes Schweigen aus.
    »Und was gedenken Sie nun zu tun?«, fragte Frau Heinrichsdorf mit alarmierender Freundlichkeit.
    Darum geht es hier also wirklich, wurde Ricarda mit einem Mal klar. »Zunächst werde ich mich von der Reise erholen und dann auf das Weihnachtsfest vorbereiten. Außerdem gibt es einige gesellschaftliche Verpflichtungen, denen ich nachkommen muss.«
    Sie wollten natürlich eigentlich wissen, ob sie vorhatte, das erlernte Wissen anzuwenden und zu arbeiten, oder ob sie jetzt - endlich - Ausschau nach einem Bräutigam halten würde.
    »Immerhin, gesellschaftlichen Pflichten nachzukommen ist weitaus angemessener für eine junge Frau als das, was diese Suffragetten tun, die neuerdings überall Unruhe stiften«, sagte Frau Heinrichsdorf mit einem verstohlenen Blick zu ihrer Gastgeberin.
    Ricarda hatte bereits von »diesen Suffragetten« gehört, die für die Rechte der Frauen kämpften, und sie bewunderte sie. Auch wenn das Frauenwahlrecht, für das diese sich einsetzten, den Freundinnen ihrer Mutter nichts bedeuten mochte, erschien es ihr nur legitim, dass die Frauen über die Geschicke ihres Landes mitbestimmen sollten.
    Die Gräfin musterte sie von der Seite.
    Ricarda schwieg und schaute zu ihrer Mutter, die ihre goldgerandete Teetasse an die Lippen hob und tat, als unterhielte sie sich über etwas so Belangloses wie das Wetter.
    Ricarda fühlte sich plötzlich hilflos vor Wut. Sie hätte den aufgeblasenen Frauen, die in ihrem Leben selten etwas Nützliches zustande brachten, am liebsten entgegengeschleudert, dass nichts falsch daran sei, wenn Frauen für ihr Recht zu wählen oder zu studieren eintraten. Doch sie brachte die Worte nicht hervor. Nicht, weil ihr der Mut fehlte, sondern weil sie wusste, dass jedes einzelne vergeblich sein würde.
    Sie blickte hilfesuchend zur Tür. Wo bleibt Rosa bloß mit dem Gedeck?, fragte sie sich.
    »Vielleicht sollten wir ein weniger unangenehmes Thema anschneiden«, unterbrach ihre Mutter schließlich die Stille.
    Ist sie froh, dass ich sie nicht blamiert habe?, sinnierte Ricarda, als sie einen zufriedenen Zug um die Lippen ihrer Mutter bemerkte.
    Da sich Rosa offensichtlich Zeit ließ, ergriff sie die Gelegenheit, um sich zu verabschieden, bevor sie die Contenance verlieren und diese Giftnattern noch den Skandal bekommen würden, den sie herbeisehnten. »Entschuldigen Sie bitte, ich möchte mich jetzt ein wenig ausruhen. Ich fürchte, mir fehlt nach der langen Reise die Konzentration, um eine unterhaltsame Gesprächspartnerin zu sein.« Damit erhob sie sich von ihrem Platz.
    Die beiden Gäste hüstelten verlegen, und das Gesicht ihrer Mutter glich einer Maske.
    »Liebes, dein Tee ...«, protestierte sie schwach.
    »Danke, aber im Moment brauche ich nur Ruhe.«
    »Natürlich, sicher doch, Kind.« Ihre Mutter lächelte nachsichtig.
    Nachdem Ricarda sich mit einem Kopfnicken verabschiedet hatte,
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