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Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga

Titel: Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
Autoren: Anne Laureen
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wichtigen Entdeckungen mit. Ricardas Vater war ein Freund von Dr. Koch, der das Königlich Preußische Institut für Infektionskrankheiten gegründet hatte. Über die Jahre waren die Bensdorfs zu einer der angesehensten Familien Berlins geworden, zu einem Mittelpunkt der Gesellschaft.
    Eigentlich sollten meine Eltern stolz auf mich sein, weil ich die Tradition weiterführe, ging es Ricarda durch den Kopf.
    Sie durchquerte den Flur, und je näher sie dem Salon kam, desto schwerer erschien ihr die Tasche. Ihre Hände wurden feucht, und ihr Puls beschleunigte sich. Bald stand sie vor der hohen, doppelflügeligen Schiebetür, hinter der sich das Reich ihrer Mutter befand. Zwei große Bleiglasscheiben waren in die Tür eingelassen. Es war eine kunstvolle Arbeit aus verschiedenfarbigem opakem Material, die zwei große blaue Iris darstellte. Wie die Glasfenster einer Kirche, dachte Ricarda nun. Tatsächlich hütete Susanne Bensdorf ihren Salon wie ein Heiligtum.
    Schon als Kind war es Ricarda schwergefallen, diese Räume zu betreten, die das Innere des Herzens ihrer Mutter widerzuspiegeln schienen - auch dort hatte sie nie wirklich Zugang gefunden. Das Studium hatte es Ricarda nicht einfacher gemacht. Vielleicht lässt sie mich nun ganz außen vor, überlegte sie ängstlich.
    Ein vertrauter Geruch strömte ihr entgegen. Jasmin. Lebhafte Stimmen waren hinter der Tür zu vernehmen. Mutter trinkt mit ihren Freundinnen Tee, vermutete Ricarda, und sie versuchte sich innerlich gegen die missbilligenden Blicke der Gäste zu wappnen.
    Die Stimmen verstummten plötzlich. Vermutlich hatten die Frauen eine Silhouette vor der Tür bemerkt und warteten jetzt darauf, dass die Besucherin hereinkam. Ricarda fasste sich ein Herz, klopfte an und trat ein.
    Wie immer thronte die Hausherrin in der Mitte des Raumes, vor ihr ein chinesisches Tischchen, auf dem eine Teekanne aus feinem Porzellan nebst einer Gebäckplatte und drei Gedecke standen.
    Sie trug ein Nachmittagskleid aus grünem Musselin, ihr Haar war sorgsam zu Locken onduliert und hochgesteckt. In den Ohren funkelten zwei Saphirohrringe, die Ricarda noch nie gesehen hatte. Die glänzenden Steine wetteiferten mit Susanne Bensdorfs hellen Augen, die nie ihre Kühle verloren - auch dann nicht, wenn sie die Tochter erblickten.
    Susannes beste Freundinnen, Frau von Hasenbruch und Frau Heinrichsdorf, saßen bei ihr, ebenfalls aufgeputzt, als würde der Kaiser jeden Augenblick durch die Tür schreiten.
    Edith von Hasenbruch entstammte einer bürgerlichen Familie, doch sie hatte es geschafft, die Aufmerksamkeit eines Grafen zu erregen, der sie prompt zu seiner Frau gemacht hatte. Sie war eine gutaussehende Frau, die Ricarda vielleicht sympathisch gefunden hätte, wenn da nicht dieser harte Zug um die Lippen gewesen wäre, der ihr etwas Grausames verlieh.
    Marlene Heinrichsdorf dagegen wirkte mit ihren Kleidern in gedeckten Farben und der Hochsteckfrisur wie eine freundliche Gouvernante. Aber dieser Anblick täuschte. Sie be- und verurteilte ihre Umgebung genauso scharf wie die beiden anderen Damen, nur dass sie ihre Opfer subtiler anging. Die Arztgattin gab sich so freundlich und mitfühlend, dass es schwerfiel, die Beleidigungen hinter dieser Fassade zu erkennen.
    Ricarda hatte stets vermieden, mit diesen Frauen in einem Raum zu sein. Sie hielt sich lieber im Labor auf und forschte, als sich im Salon wegen ihrer beruflichen Ambitionen rechtfertigen zu müssen.
    »Ricarda, Liebes!« Susanne Bensdorf erhob sich. Ihr elegantes Kleid raschelte, als sie mit kleinen Schritten auf ihre Tochter zuging.
    Freut sie sich wirklich, mich zu sehen?, wunderte sich Ricarda.
    Auf dem porzellanfarbenen Gesicht ihrer Mutter lag ein verhaltenes Lächeln, die Spuren, die die Zeit hinterlassen hatten, waren sorgsam übertüncht.
    »Guten Tag, Mutter«, sagte Ricarda, während sie sich umarmen ließ. Das ist auch neu, dachte sie verwundert. Mutter hat mich bisher nur selten umarmt.
    Ihr Vater war derjenige, der sie oft in seine Arme schloss und sie in ihren Kindertagen manchmal überschwänglich auf seine Schultern gesetzt hatte.
    »Lass dich anschauen, mein Kind!«, sagte nun diese Frau, die ihrer Mutter lediglich äußerlich zu gleichen schien, und nahm ihre Hände.
    Ricarda befürchtete, dass sie so etwas sagen würde wie »Du bist aber groß geworden!« oder »Du hast dich verändert!«, jene nichtssagenden Sätze, mit denen entfernte Verwandte bisweilen um sich warfen.
    Doch ihre Mutter sah sie nur für einen
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